Allgemeine Einleitung.
Die hiernach zur Anwendung gelangenden Uebergangsbestimmungendes E.G, zum V.G.B, erfahren jedoch eine erhebliche Ergänzung und Mo-difizirung durch folgendes allgemeine Prinzip: soweit die Vorschriften desneuen Rechts exklusiven Charakter habe», d. h. die Anwendung eines anderen Gesetzeswährend ihrer Geltungszeit überhaupt nicht dulden, greifen sie sofort in bestehende Verhältnisseein und schließen von dem Augenblicke, wo das neue Gesetz in Kraft tritt, die Anwendungderjenigen gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Bestimmungen aus, welche für das schwebendeVerhältniß bisher maßgebend waren. Es fragt sich nun, wann hat ein Gesetz einen solchenexklusiven Charakter? Eine allgemeine Rechtsregel des Inhalts, daß jede im öffentlichenInteresse gegebene Rechtsregel auch bereits bestehende Verhältnisse ergreift, giebt es aller-dings nicht. Insoweit ist Cosack S. 768 zuzustimmen. Auch das wäre nicht richtig, wennman annehmen wollte, daß alle zwingenden Rechtssätze, d. h. alle diejenigen, deren Aus-schließung durch entgegenstehende Vereinbarungen nicht zulässig ist, ohne weiteres auf be-stehende Verhältnisse Anwendung finden. Es greift vielmehr hier derselbe Grundsatz Platz,wie bei derselben Frage auf räumlichem Gebiete. Das neue Gesetz ist insoweit exklusiv,d. h. ausschließlich anwendbar, als die Anwendung des alten Gesetzes gegen die guten Sittenoder gegen den Zweck des neuen Gesetzes verstoßen würde (Art. 30 E.G. zum B.G.B.), unddies wäre immer dann der Fall, wenn das neue Gesetz Zustände beseitigen will, derenFortbestehen ihm aus sittlichen oder sozialen oder wirthschaftlichen oder politischen Gründenals unhaltbar erschien. Im Prinzip stimmt dieser Grundsatz mit dem von Pappenheim bei Gruchot 42 S. 328 aufgestellten überein. Denn wenn er ihn auch — in etwas ab-weichender Formulirung — auf solche Zustände anwendet, deren Fortbestehen dem Gesetz-geber aus sittlichen Gründen im weiteren Sinne als unhaltbar erschien, so ist doch er-sichtlich, daß er dasselbe meint, wie wir. Denn sein Gewährsmann Gierke (DeutschesPrivatr. I S. 214) erstreckt den Grundsatz auf alle diejenigen Zustände, die dem Gesetz-geber aus sittlichen, politischen, sozialen oder wirthschaftlichen Gründen unhaltbar er-schienen sind; die Einschränkung auf Zustände, welche aus sittlichen Gründen unhaltbarerscheinen, wird von Gierke also nicht gemacht und auch die Rechtsprechung, soweit sieüberhaupt erkennen läßt, daß sie diesen Rechtssatz gelten läßt, macht eine solche Ein-schränkung nicht. Es sei hier beispielsweise verwiesen auf die Entscheidung des Reichs-gerichts Band 22 S. 1. Dort ist entschieden, daß ein auf Amortisation von Aktiengerichteter Bertrag nicht durchführbar sei, wenn er auf Amortisirung aus anderen Mitteln,als aus dem Gewinn, abzielte, weil das Aktiengesetz von 1884 solche Amortisirungverboten habe. Dieses Verbot beruht sicherlich nur auf wirthschaftlichcn Gründen, willdie wirthschaftlichen Folgen, die aus solcher Transaktion entstehen könnten, verhüten, unddoch hat das Reichsgericht dem Verbot rückwirkende Kraft auf bestehende Vertragsrechtebeigelegt.
Zu diesen, in bestehende Verhältnisse sofort eingreifenden, so-genannten rückwirkenden Bestimmungen der neuen Gesetze gehören ins-besondere die zahlreichen sozialpolitischen Vorschriften des neuen H.G.B.,insbesondere die Schutzbestimmungen für die Gesundheit der Handlungsgehilfen (Z 62),aber auch die Zwangskündigungsvorschriften und die Bestimmungen über die Konkurrenz-klausel. Es wird dies zwar noch bei den einzelnen Bestimmungen besonders ermähntwerden; es soll jedoch gleich hier die allgemeine Bemerkung vorausgeschickt werden, daßes ganz besonders diese sozialpolitischen Bestimmungen der neuen Gesetze sind, deren rück-wirkende Kraft anzunehmen und zu betonen ist. Sie sollten einem sozialen und politischenInteresse zugleich dienen, und zwar einem solchen von ganz eminenter Wichtigkeit, siesollten einen Theil der Ausführung jenes Programms bilden, welches sich der Gesetzgeber seitmehr als einem Decenninm gesetzt hatte, und welches dazu bestimmt war, die Zahl derUnzufriedenen zu mindern und so die Wohlfahrtsaufgaben des Staats im Staatsinteressezu erfüllen. Ganz entschieden muß hierbei dem Standpunkte Horrwitz' (Das Recht derHandlungsgehilfen S. 8 ffg.) widersprochen werden, welcher den sozialpolitischen Vor-schriften nur dann diese rückwirkende Kraft beilegen will, wenn sie zugleich polizeilichen