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Zur Wiedergeburt des Abendlandes / von Gerhard von Schulze-Gaevernitz
Entstehung
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darüber hinaus jenen Biologismus verworfen, welcher durchunentrinnbare Gesetzmäßigkeit das Schicksal des Niedergangszu besiegeln schien. Mochte es für Erkenntniszwecke nützlichsein, mit Spengler die sozialen Gebilde Gesellschaft, Staat,Kultur als organische Wesen aufzufassen, welche wie diePflanzen wachsen, blühen und verwelken. Aber keine solcheBetrachtung genügte, wo eine neue Zeit zur Unterordnung,gar zum Opfer für die Gemeinschaft hindrängte. Dieser Bio-logismus hat keine Antwort auf die Frage: Warum ist diesessoziale Ganze, wenn es doch dem Untergang entgegenreift,wertvoller als der Gewinn und Genuß, der im Glücksspiel desLebens dem rücksichtslosen, gar betrügerischen Spieler mühe-los in den Schoß fällt? Warum ist der Mensch wertvoller alsjede andere Spezies der Tierwelt, da er doch wie diese imLaufe des Daseinskampfes und der Naturauslese entsteht undvergeht? Sind Volkstum und Vaterland verbindlichüber das kurze Einzeldasein des Menschen hinaus,so sind sie mehr als Natur. Mit leidenschaftlichem Willenzur Tat wurde jener Biologismus beiseitegeschoben, der imPessimismus mündete. Scharfen Messers hat die Spannkraftkriegserprobter Männer das Gestrüpp zurückgeschnitten, dasdie Pforte zum höheren Leben überwucherte. Lebte vielleichtin manchem dieser harten Krieger die Erinnerung fort aneinen wahren Seelsorger, gleichviel geistlichen oder weltlichenStandes, Krankenschwester oder Sanitäter, Mutter oder Lehrer,der ihrer Jugend lebendiger Zeuge des unerschöpflichen Reich-tums göttlicher Gnade gewesen war?

Dieser Umstellung kam eine Wende der Wissenschaftzugute, die sich schon in der Vorkriegszeit unter Abkehr vomMaterialismus des 19. Jahrhunderts ihres ideellen Wesens be-sonnen hatte. Ist doch die Liebe zur Wahrheit um der Wahr-heit willen, diese Leidenschaft des echten Forschers, ein hohesethisches Erbgut des Abendlandes, im Glauben verwurzelt,dem religiösen Zentrum benachbart. Zwar vermorscht dieNaturwissenschaft für viele Halbgebildete überkommeneGlaubenssätze und mit ihnen die Religion überhaupt. Wir beob-