achten diesen Vorgang insbesondere in den intellektuellenSchichten Amerikas und Asiens, nachdem er in Europa seinenHöhepunkt überschritten hat. Er beruht auf der Verwechslungüberalterter Lehrmeinung mit der letzten Wahrheit. Hierzukommt eine überlebte Auffassung des Wunders als einerDurchbrechung des kausalgesetzlichen Naturzusammenhangesdurch den korrigierenden Finger Gottes. Ein solches Spezial-wunder verschwindet gegenüber dem viel größeren General-wunder der Gesetzlichkeit allen Seins, die auch dort gilt, wowir sie nicht beobachtet haben. Mit dieser ihrer paradoxenVoraussetzung unterwirft die Naturwissenschaft die Natur derErkenntnis und damit der Herrschaft des Menschen. Aber siebetastet nur die Außenfläche der Dinge. Wertneutral, wie sieist, überläßt sie der Philosophie und der Religion jenes Systemder Werte, die dem Leben des Menschen Sinn verleihen undZiel setzen. Die Frage von Recht und Unrecht wird von keinerNaturwissenschaft berührt, aber als wertender Mensch unter-fällt der Naturwissenschaftler selbst dem Gebot ehrlicher undselbstloser Forschung. Er ist um so gewissenhafter, je wenigerseine Arbeit nachkontrolliert werden kann. ■%
Religion hat von der Naturwissenschaft so wenig zu fürchten,daß sie jede Ausdehnung des menschlichen Horizontes, jedenVorstoß des Menschengeistes in das Reich des Unerforschtennur begrüßen kann, als einen Schritt, dem Wesen Gottes näher-zukommen. Diese Grundeinstellung ist wichtiger als zeit-geschichtliche Spekulationen der Naturphilosophie. Immerhinist es beachtlich, wenn Männer wie Jeans und Eddington heuteein Vergehen der Materie durch ausstrahlende Energien lehren,dem eine fortgesetzte Neuschöpfung entsprechen müßte. Da-mit versinkt der Naturmechanismus des frommen Newton, derim Atheismus des „Systeme de la nature" gegipfelt hatte, umim 19. Jahrhundert vielen Millionen von Nachbetern den altenGott zum Kindermärchen zu entkräften. Dem entgegen führtPlanck (Positivismus und reale Außenwelt) bis an die Schwelleeiner metaphysischen Welt, die, geheimnisvoll und erhaben,tiefe Harmonie und Schönheit ahnen läßt.
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