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Zur Wiedergeburt des Abendlandes / von Gerhard von Schulze-Gaevernitz
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Aber verpflichtet den Werten unseres Volkstums und unseresZeitalters zu dienen, fühlen wir unsere Schwäche, je schärferwir auf die Stimme des inneren Richters lauschen. Wir fühlenunsere Entgleisungen um so mehr, je feinfühliger unsere Seelewird. Erdrückt von der Gesamtsünde, in die uns das Zeitalterverstrickt, ist das Gute nicht in unserer Gewalt. Wir sindschwach, wenn wir auf eigene Kraft bauen. Aber wirglauben an die Macht des Heils, die Liebe vonoben, die sich durchsetzt trotz alles entgegengesetz-ten Scheinsund wenn die Welt voll Teufel wär". Wirglauben an das große Dennoch, das Jesus lebte und bewährte.Ohnmächtig vor Fällen höchster seelischer und körperlicherNot, vertrauen wir auf jene bessere Welt, welche drüben heilenwird, was hienieden unheilbar.

Jedem Zeitalter wird das Gotteserlebnis in eigenartigerFärbung zuteil, meist im Gegensatz zur letzten Vergangen-heit. So lehnt das unsere den übersteigerten Transzendenz-gedanken des Reformationszeitalters ab. Für dieses hattenirdische Beziehungen und Belange nur verschwindende Be-deutung im Vergleich zu dem heiligen, schlechthinanderen"Wesen Gottes. Unter Ableugnung jeden Verdienstes der hoff-nungslos verderbten Menschennatur genügten ihm Glaube undGnade. Unserer Zeit eignet dagegen ein Zug zur Lebens-bejahung, zur Tatenlust und zur Weltfreude, zur Harmonieund zur Kunst. Wenn wir heute in die Tiefen des Zeitgeisteshinabloten, durch alle neben- und gegeneinander gehendenStrömungen hindurch, so gelangt unser Senkblei zur Ruhe erstauf dem Felsenboden der Immanenz Gottes: Gott imMenschen, in der Menschheit, in der Natur, im Welt-all Gott im Menschen, wenn auch vielfach verschüttetdurch Sünde. Daher die Möglichkeit der Weltverbesserung,also die Pflicht zur Weltgestaltung, zur Weltbeherr-schung zur Tat!

Solche Religion allein hat unsern Kindern und Enkeln etwaszu sagen und setzt die besten Saiten ihrer Seele in Schwingung.Sie erwächst aus dem großen Erlebnis der Mystiker aller Zeiten,

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