kindschaft durch Gnade. Der Mensch ist mehr alsNatur — nicht zuletzt auch durch die Leuchte der Wissen-schaft, welche Gott dereinst durch den griechischen Geniusim abendländischen Menschen entzündet hat.
Der Gottesgeist spricht in der Tiefe jeder einzelnen Men-schenseele; aber er offenbart sich ebenso in der Breite derMenschheit. Die Menschheit ist ein Wertganzes, dasden letzten, in Gott gipfelnden Zweck in einer Füllevon Einzelaufgaben verwirklichen soll. Dem HeilsplanGottes ist nichts Menschliches fremd. Dies die „Universali-tät der Gnade" — ein Grundgedanke des Mittelalters, derim Täufertum fortlebte, für welchen Quäker durch Puritanernoch im 17. Jahrhundert auf Boston Commons den Märtyrer-tod erlitten haben.
Aus dieser Quelle schöpfte der deutsche Idealismus den ihmeigentümlichen Begriff der Kultur — ein Wort, an dem wirim Sinne unserer Vorfahren festhalten, nachdem es in seinerAbgegriffenheit und Verschwommenheit dem Gespött und derVerachtung anheimgefallen war. Unter Kultur verstehenwir die Gesamtheit der Werte des sozialen Ganzen,die den einzelnen verpflichten und der Gottesoffen-barung durch die Geschichte eingliedern: „das zuPflegende" (Rickert). Ohne solche Eingliederung ist dereinzelne „ein unwirklicher Schatten" (Hegel). Es ist Sacheder Philosophie, diese Werte zu einem widerspruchslosenSystem zusammenzufügen, wozu Hegel den größten, wennauch zeitgeschichtlich gebundenen Versuch gemacht hat.
Kein Lebensgebiet, das dem Wirken des Gottesgeistes ent-rückt und seiner weltlichen Eigengesetzlichkeit zu überlassenwäre — nicht Wissenschaft und Kunst, noch weniger Wirt-schaft und Politik. Abgetrennt vom religiösen Zentrum werdensie zum Tummelplatz der Dämonen.
27