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Zur Wiedergeburt des Abendlandes / von Gerhard von Schulze-Gaevernitz
Entstehung
Seite
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Sie hat die überkommenen genossenschaftlichen Gebilde desSpätmittelalters zersetzt, den Menschen vereinsamt und denReichsgedanken zu denletzten Dingen" verflüchtigt. Sie hatim Puritanismus der Freiwirtschaft die Schleusen geöffnetund dem Kapitalismus damit die Wege geebnet, der so langeKulturaufbau verrichtete, als er religiös bestimmt war. Sie hatden starken, selbstverantwortlichen und selbstbeherrschtenEinzelmenschen in den Sattel gesetzt. Sie hat mit dem Frei-heitsgedanken die anglo-amerikanische Weltvormacht in dieHöhe getragen, deren Lebensnerv religiöser Natur war. Erstmit dem Absterben der religiösen Wurzel ist sie zum Libera-lismus verflacht, zum Materialismus und Utilismus zersetztworden. Sie hat mit dem Liberalismus dem Sozialismus derEntrechteten das Feld bereitet, in welchem der Mensch Ver-einzelter bleibt, um als Prolet an Stelle des Kapitalisten denGenuß an der Tafel des Lebens zu fordern.

Heute gilt es, das mittelalterliche Erbgut neu zu beleben unddieReform der Reformation" zu Ende zu führen, welche der-einst in den bruderschaftlichen Gemeindebildungen der Täufer ihren Niederschlag gefunden hatte. Es gilt den Genossen-schaftsgeist neu zu erwecken, der den ganzen Menschenerfaßt, im Gegensatz zum Verein, der vereinzelte Menschenvorübergehend für Nützlichkeitszwecke zusammenführt. Esgilt, den Reichsgedanken wieder zu verdiesseitigen, der alsdasdritte Zeitalter" des Abtes Joachim (f 1205) durch Hus-sitentum und Täufertum gewaltige weltgeschichtliche Wirkun-gen ausgelöst und im britischen Commonwealth den Keim zumWeltreich gelegt hatte. Cromwells Eisenseiten" waren Bap-tisten, keine Puritaner. Kein Wort, das dem Sehnen derGegenwart, vor allem der deutschen Seele, so tiefenAusdruck gäbe, als der Ruf nach Gemeinschaft. Überschöne Worte hinaus gilt es, die Gemeinschaft im engerenKreise neu zu erleben. Es gilt dies insbesondere von der Keim-zelle aller Gesellschaft, der Familie, die heute in so vielenFällen zentrifugal auseinanderflattert:Einer trage des andernLast." (Gal. 6, 2.) Dasselbe gilt von den Kameradschaften der

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