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Zur Wiedergeburt des Abendlandes / von Gerhard von Schulze-Gaevernitz
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Freiheitswunder ist dem Wissen unzugänglich, aber vomGewissen verbürgt, das niemals naturgesetzliche Zwangs-läufigkeit als Entschuldigung einer Entgleisung gelten läßt, dasGemeinheitGemeinheit" nennt, auch wenn ihre psychologi-sche Unvermeidlichkeit festzustehen scheint. Die Verflechtungvon Notwendigkeit und Freiheit im bunten Gewebe des Men-schenlebens und derMenschheitsgeschichteistüber alleVernunft.

Nur dem Menschen kann geholfen werden, der sich helfenlassen will. Selbst ein Jesus war unvermögend gegenüber demUnglauben seiner Heimatstadt, gegenüber priesterlichen An-klägern und der durch sie fanatisierten Menge. Welcher Vorzugdes Menschen vor der Natur diese Freiheit, zu derenGunsten selbst der Allmächtige sich beschränkt! Die Erde mußsich öffnen dem Regen, der Mensch soll sich öffnen der Gnade ohne Zwang durch das Naturgesetz. Eine Wasserflut, die einblühendes Tal vernichtet, ein Hund, der ein Kind beißt, sindnicht böse; schuldig sind die Menschen, die nicht rechtzeitig dasWasser dämmten, das Kind beaufsichtigten, den Hund erzogen.

Zwischen Menschen und Tier befestigt die Sünde einen Ab-grund, in den das Tier nicht abgleitet, durch den der Menschhindurch muß zu höherem Ufer. Das Tier ist, wie es ist; derMensch ist nicht, wie er sein soll. Er vor allem der Groß-städter wurde den Gesetzen der Natur untreu, die zugleichder Wille Gottes sind; aber er kann den Willen Gottes aufhöherer Ebene wiederherstellen.Ich kann, denn ichsoll" Kant's granitner Leitsatz! Es ist unsinnig, den Men-schenfür gebunden an das Böse zu erklären und trotzdem für dieSünde verantwortlich zu machen. Wie verführerisch ist dieseEigengesetzlichkeit der Welt, insbesondere der Wirtschaft undPolitik, die den Menschen zwingt, mit den Wölfen zu heulen!

Biologisch betrachtet ist der Mensch degeneriert, eine aus-sterbende Spezies; aber als einziges Animal, das wir kennen, ister regenerationsfähig, indem er die Gesetze des Lebens er-kennt und sich ihnen in Freiheit unterwirft für Zwecke, die überdie Natur hinausweisen.