In seinen Stammgebieten erwuchs der kapitalistische Geistaus der Überweltlichkeit Gottes, der Nichtigkeit der Welt, derselbstbeherrschten Herrschaft der Erwählten, der berufsmäßi-gen Entsagung des Wirtschaftsmenschen. Indem er erwirbt,ohne zu genießen, gilt ihm das Apostelwort: „Haben, als hättenwir nicht!" Ein mönchischer Vorläufer dieses Geistes erfand inItalien die doppelte Buchhaltung, welche dem Wirtschafts-menschen erlaubt, durch die Jahresbilanz den Erfolg seinerAskese zu kontrollieren. Ein Abkömmling dieses „frugalen Un-ternehmers" lebt in der Selbstzucht des englischen Gentleman,in dem Dienstgedanken des amerikanischen Wirtschaftsführersfort; etwas besitzt davon auch der von einer kalvinistischenDynastie geschulte preußische Offizier, der so häufig auch aufindustriellem Gebiete Lorbeeren eroberte. Ihnen allen gilt dasDichterwort:
„Wer befehlen will,
Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
Genießen macht gemein."
Kapitalismus und Demokratie wuchsen zu denGrundtatsachen des Zeitalters aus, zunächst in eng-lisch -amerikanischer Prägung, sodann in allgemein abend-ländischer Auswirkung. Die Maschine wurde das wichtigsteWerkzeug des Kapitalismus, Menschenrecht der eindring-lichste Schlachtruf der Demokratie.
Auf seinen Höhepunkten, zu denen in erster Linie dasEngland Victorias rechnet, hat das kapitalistische Zeitalterhöchste Leistungen zu verzeichnen: ungeheure Steigerung derProduktionskräfte, Ausweitung des Nahrungsspielraumes, Er-schließung von Neuländern — Vermehrung, Ausbreitung undWeltherrschaft der weißen Rasse—geistige Entfesselung von tra-ditionellen Gebundenheiten, Verselbständigung der Unter-schichten. Mit der Bauernbefreiung und der Arbeiterbewegungbejaht sich die handarbeitende Masse als Selbstzweck und kün-det ihr Recht auf dem Volksstaat an. Mit der Weltwirtschaftund der internationalen Arbeitsteilung vereinheitlicht sich die
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