II
Bankgeschäfte.
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Steigerung entgegenzuwirken. Aber alles das wiegt eine unabhängige Baissepartei an der Börse nicht auf. Hiezu kam die allgemeine optimistische Stimmung des letzten Jahrzehnts, nachdem die Generation von 1873 ausgestorben und der Eindruck des „Krachs" vergessen war.
Die einflußreiche Stellung der Banken als Effektenbeleiher wird durch weitere Tatsachen gestärkt. Als Effektenkäufer und -Verkäufer größten Stiles treten unsere Großbanken auf der Börse auf, ohne daß der Außenseiter weiß, mit welcher Absicht. Oftmals wirken Angebot und Nachfrage der Banken dem natürlichen Laufe der Dinge geradezu entgegen, z. B. die Banken kaufen, wenn sie eigentlich verkaufen wollen, um den Markt „vorzubereiten". Die Börse hört damit auf, ein Spiegelbild von Angebot und Nachfrage zu sein. Sie ist „langweilig" geworden. Andererseits übersehen einige wenige Großbanken die Lage des Marktes, weil bei ihnen die große Masse der Engagements zusammenfließt. Bei einem Privatbanker kann das Ueberwiegen der Kauf- oder Verkaufaufträge in einem Papier Zufall sein, nicht so bei der „Deutschen Bank" oder Diskonto-Gesellschaft, durch deren Hände ein erheblicher Bruchteil der Gesamtengagements geht.
Hatte einst in den siebziger Jahren eine jugendlich ausschweifende Börse die Industrialisierung Deutschlands eingeleitet, indem sie die Spielchance der Aktie ausnutzte, so können heute Banken und Industrie „allein reiten". Die Börsen- herrschaft unserer Großbanken, welche an das Reportgeschäft — aber nicht an dieses allein — anknüpft, ist nichts als ein Ausdruck des voll organisierten deutschen Industriestaates. Wird damit das Gebiet der automatisch wirkenden Wirtschaftsgesetze beschnitten und . das Gebiet bewußter Regelung durch die Banken außerordentlich erweitert, so wächst damit die volkswirtschaftliche Verantwortung weniger leitender Köpfe ins Ungemessene. Durch Hergabe von Reportgeldern können die Banken über wirtschaftliche und politische Verfinsterungen hinweghelfen, in Zeiten der Panik den äußersten Kurssturz vermeiden. Auf der anderen Seite können sie durch gelegentliche Hergabe von Stücken unwirtschaftliche Kurssteigerungen, bekämpfen. Im Reportgeschäfte besitzen sie weitgehende Möglichkeiten der Einwirkung auf die Konjunktur überhaupt. Ein zielbewußtes Zusammenwirken der Großbanken in volks wirtschaftlichem Sinne könnte hier „Wunder wirken". /
II. Das irreguläre Bankgeschäft
VII. Kapitel.
Effektengeschäfte.
A. Effekten und Effektenkapitalismus.
a) Begriffliches. „Wertpapiere" sind — juristisch gesprochen—Papiere, welche ein Vermögensrecht in d e r Weise verbriefen, daß die Ausübung des Rechtes die Innehabung des Papieres voraussetzt; z. B. wer das Wechselrecht irgendwie geltend machen will, muß den Wechsel innehaben. Zu den Wertpapieren gehören: Wechsel, Banknoten, Konossemente, Lagerscheine, Obligationen, Pfandbriefe, Aktien. Ihre volkswirtschaftliche Funktion ist es, den wirtschaftlichen Wert der Güter abzulösen von der Verfügung über die Güter selbst. Die Wertpapiere wandern von Hand zu Hand, die Kreditgeber erwerben sie für Zahlungs- oder Anlagezwecke; die Banken als Kreditvermittler handeln mit ihnen, während die Pflege und Verwendung der realen Güter dem Unternehmertum als dem Kreditnehmer zusteht. Die Wertpapiere bedeuten die technisch höchste Form der Kreditwirtschaft. Die papierne Welt der Wertpapiere verdeckt in Ihrer ziffernmäßigen Eintönigkeit die unendliche Mannigfaltigkeit des bunten Lebens: wogende Felder, rauchende Schlote, gefüllte Speicher.