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Die deutsche Kreditbank / von Gerhart von Schulze-Gaevernitz
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102
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102 G. v. Schulz e-Gaevernitz, Die deutsche Kreditbank; II

Die Wertpapiere vertreten zum Teil flüssiges Kapital, insbesondere Kaufmanns­waren, und gehören insofern dem Geldmarkt an; man faßt diese Papiere unter dem NamenG e 1 d p a p i e r e" zusammen. Ihr Hauptbeispiel ist der Wechsel. Da es sich um ein Kapital handelt, welches Ertrag abwirft, indem es umschlägt, so verbriefen obige Papiere das Recht auf einen ein maligen Kapitalbetrag, keine fortlaufende Ertragsbeteiligung. Im Gegensatz zu den Geldpapieren verbriefen andere Wertpapiere,Effekte n", Vermögensrechte an festen (Anlage-) Kapi­talien, welche nur im Laufe zahlreicher Produktionsperioden umschlagen, da­gegen periodischen Ertrag abwerfen. Diese Wertpapiere werden auf runde, gleiche Summen ausgestellt, als Teilbeträge des durch sie mobilisierten Kapitalwertes. Fungibel, ähnlich der Banknote, stehen sie hierin im Gegensatz zum Scheck, Wechsel, Konossement, Lagerschein individuellen Wertpapieren. Als fungible Waren sind sie leicht veräußerlich, obgleich sie feste, oft unverkäufliche Anlage­kapitalien vertreten. So macht § 1 des Bankdepotgesetzes Vertretbarkeit zum Be­griffsmerkmal der Effekten. Effekten also sind fungible Wertpa­piere, welche das Recht auf den periodischen Ertrag eines Anlagekapitals verbriefen. Die künftige Rückerstattung des Stamm­kapitals ist der Willkür des Gläubigers entzogen Effekten sind seitens des Kre­ditgebers niemals beliebig kündbar. Die Rückzahlung erfolgt entweder nach festen Tilgungsplänen (Pfandbriefe), oder in unbestimmter Zukunft bei Liquidation des Unternehmens (Aktie), oder ist überhaupt ausgeschlossen (Rentenpapiere). Aus dem Wesen der Effekten folgt, daß die Effektenvennehrung nicht beliebig sein kann, sondern von dem jährlichen Zuwachs an Anlagekapital abhängt. Werden zu viele Effekten produziert, so können sie nur gegen Kredit untergebracht werden, d. h. umlaufendes Kapital wird festgelegt. Solche Verschiebung zwischen Betriebs­und Anlagekapital führt zu Krisen x ) ist aber doch nur eine Krisenursache neben andern. Sie trägt indessen durch Verteuerung der Diskontsätze ein Korrektiv in sich, welches Neuemissionen und damit Investitionen erschwert.

Effekten bedeuten eine ungeheure Erleichterung der Kreditwirtschaft, welche alsEffektenkapitalismus" bezeichnet werden kann, sobald der über­wiegende Teil der nationalen Kapitalien in Effektenform gegossen ist. Früher mußten Kapitalist und Unternehmer persönlich in Verbindung treten; ersterer mußte letzteren überwachen, letzterer war abhängig von den persönlichen Schicksalen (Tod, Erb­teilung, Verarmung) des ersteren. Heute ist diese persönliche Verbindung gelöst. Der neuzeitige Leihkapitalist steckt sein Kapital Gefahren ausgleichend in Unternehmungen aller Art und aller Zonen. Er trägt Rittergüter, Plantagen, Eisen­bahnen, Bergwerke, Fabriken, Kriegsschiffe anteilsweisein der Tasche". Er kann das Kapital stets wieder flüssig machen, besonders wenn die Spekulation den Markt verbreitert. Volkswirtschaftlich festgelegt, wird das Kapital privatwirtschaftlich mobilisiert. Vor allem dient diesem Zwecke die Terminspekulation. Andererseits schwächt die Ueberführung des Kapitals in Effektenform die Stellung des Leih­kapitalisten zugunsten des Unternehmers und der den Effektenkredit vermittelnden Bank. Der Unternehmer ein CecilRhodes! ballt riesige Kapitalien aus kleinsten Teilen zusammen und kommandiert das Heer der Aktionäre und Obligationäre eine unbestimmte, zusammenhangslose Vielheit von Kapitalisten, welche an zahl­reichen Unternehmungen, daher an keiner ganz, interessiert sind. Die Rechtsform täusche nicht: Bei gleicher Rechtsform können einzelne Effekten Träger des Unter­nehmerwillens sein, z. B. Aktien in der Hand einzelner Großaktionäre, Aufsichts­räte, kontrollierender Banken, während die Mehrzahl der Aktien geleitetes Leih- kapitalistentum darstellt. Diesem wirtschaftlichen Sachverhalt entsprach die frühere Auffassung: Aktie sei gleich zinstragender Obligation mit zusätzlicher Gewinnaus-

*) Tugan-Baranowski  , Studien zur Theorie und Geschichte der Handelskrisen. Jena 1901. S. 232.