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Schotten Gordon, „liebte er die Deutschen ", wie das Volk zuseinem Entsetzen wahrnahm; bald nach seinem Regierungsantrittbesuchte er Archangel, die nach Europa gewandte Seite undden einzigen Seehafen des damaligen Rufsland. Hier lernte erholländisch, verkehrte mit englischen Kaufleuten, schob mitholländischen Matrosen Kegel und suchte insbesondere dieGeheimnisse der Schiffbaukunst zu erlernen. Die russischenZimmerleute werden zu „schiptimmermanni", der Boewodedes Archangelschen Bezirks „min her gubernor." 1 Späterwährend seines berühmten Aufenthaltes in den Niederlanden wurde Peter halber Holländer. Der Reichtum der General-staaten, die Macht Englands wurden das Ideal, dem von nunan all seine Thätigkeit nachsteuerte. Fast sämtliche Mafs-regeln des westeuropäischen Merkantilismus wurden von ihmin irgend welcher Weise nachgeahmt. Persönlich in dermerkantilistischen Wirtschaftsauffassung befangen, diente erihr —■ eine gewaltige, willensstarke Natur.
Trotzdem besteht ein sehr grofser Unterschied zwischen demMerkantilismus etwa einer Elisabeth, eines Colbert oder Cromwellund dem Peters. Der französische und englische Merkantilismusbedeutete eine Zusammenfassung der Städte und des Bürger-tums, welche das höchste Ergebnis der mittelalterlichen Ent-wicklung und zugleich geistig wie wirtschaftlich der Aus-gangspunkt der neueren Geschichtsperiode waren. Hier warder moderne Staat nichts anderes als die Organisation diesesBürgertums, gleichviel ob sie erfolgte durch die Hand derüberkommenen Dynastie, wie in Frankreich und England, oderim Gegensatz zu ihr, wie in den Niederlanden. Des Staatesbediente sich die neu emporgekommene Klasse, um in Handels-kriegen, Kolonialpolitik u. s. w. brutal, aber durch Kraft be-wundernswert ihre Interessen zu fördern. Leute mit bürger-lichen, selbst kaufmännischen Zügen treten zum erstenmalunter den Staatsmännern der Zeit hervor — ein de Witt, ein
1 Vergl. Miljukoff, Die Staatswirtschaft Rufslands in der erstenHälfte des 18. Jahrhunderts S. 204.