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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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Vergleichen wir hiermit Rufsland und den osteuropäi-schen Merkantilismus.

Die reiche und viel versprechende mittelalterliche Ent-wicklung Rufslands war durch die tatarische Eroberung ge-brochen worden. Alles Land wurde Eigentum des Chans,alle Unterthanen seine Sklaven. Mit dem Wegfall der Ta-tarenherrschaft 1480 rückte der Grofsfürst von Moskau ,welcher als Generalsteuereinnehmer des Chans eine Centrai-gewalt entwickelt hatte, in dessen Stelle. 1547 nahm er denTitel des Zaren an, während der Staat den tatarischen Charakter bewahrte: eine asiatische, auf Eroberung beruhendeMonarchie auf Basis naturalwirtschaftlicher Bauern. Diebäuerliche Welt blieb, um die Worte von Karl Marx zu ge-brauchen,von den Stürmen in der politischen Wolkenregionunberührt V

Dieses Staatswesen war jeder Entfaltung des Individuumsfeindlich; der Gedanke der rechtlich geschützten Sphäre desEinzelnen, in die selbst der Staat nicht eingreifen darf, wardem Moskoviter Staate so entgegengesetzt, wie jede Sonder-rechtsbildung. Die freiheitlicheren Zustände der Handels-republiken von Nowgorod und Pleskau wurden durch Moskau gewaltsam nivelliert.

Aber auch im Moskoviter Staate regten sich alsbald nachBeseitigung der gewaltsamen Zusammenfassung durch dieTatarenherrschaft centrifugale Entwicklungsmomente. Das16. und 17. Jahrhundert waren voll von inneren Unruhen,welche zeitweise die zarische Gewalt gänzlich zu beseitigendrohten. Rulsland schien abermals, wie das alte Kieff, ininneren Zwistigkeiten adeliger Gefolgschaften sich auflösen zuwollen (16051618).

Den Anstofs zur Neugründung der Monarchie gaben diekriegerischen Berührungen mit dem Westen. Schon Iwan derSchreckliche (15881584), welcher das Reich nach dem Ostenhin so gewaltig ausdehnte, Kasan, Astrachan, Sibirien unter-warf, war wenig glücklich, wo er, wie z. B. gegen Livland ,

1 K. Marx , Das Kapital Bd. I. 4. Auflage 8. 323.