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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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gegen die Privilegien der Fabrikanten beförderte das bäuer-liche Kleingewerbe und kam in letzter Linie dem Adel zugute, welcher der Geldabgaben wegen gewerbliche Unter-thanen den rein ländlichen vorzog. 1 Eine Milderung der merkan-tilistischen Energie ist also hier wie im Preufsen des vorigenJahrhunderts als Sieg des Adels über das von Mehringsog.fürstliche Klassenbewufstsein" anzusehen 2 . Wie KaiserPaul, Katharinas Nachfolger, die von seiner Mutter aufge-hobene Prügelstrafe für den Adel wiederherstellte, so hat erauf Staatskosten wieder Fabriken errichtet und bestehendeerweitert, für Fabrikanten Monopole, Privilegien und Prämienbewilligt.

Alle gewerblichen Unternehmungen in Rufsland zerfielenbis zu den Reformen Alexanders II. in zwei Gruppen: diegutsherrlichen und die unter Staatsaufsicht befindlichen,staatlichen oder halbstaatlichen Fabriken, sog. Possessio 11 s-fahriken. Dieser Unterschied beruhte auf der Strenge derLeibeigenschaft, wie sie seit Peter im vorigen Jahrhundertihren Gipfel erreichte.

Nur der adlige Gutsherr hatte grundsätzlich das Recht,Leibeigene zu halten, also auch unbeschränkt solche zur Fabrik-arbeit zu verwenden. Daneben war es nur der Staat, welcherBauern zur Fabrikarbeit zwingen und nicht-adligen Unter-nehmern das Privileg verleihen konnte, Leibeigne zwecksFabrikarbeit zu besitzen. Für dieses Privileg behielt er sichein weitgehendes Aufsichtsrecht des gesamten Gewerbebe-triebes vor.

Betrachten wir zunächst die gutsherrlichen Fabriken,welche sich unabhängig vom Staate entwickelten. Mit Rechtnennt Engelmann die Gutsherrschaft einen geschlossenenund unabhängigenStaat im Staate", lediglich durch dieDienstpflicht des Herrn (und die Kopfsteuer der Bauern) mitder Centrairegierung verbunden.

1 Tugan-Baranowski, Die russische Fabrik, Petersburg 1898,S. 39, 40.

- Mehring, Lessinglegende, Stuttgart 1893 passim.

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