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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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II. Die gutsherrlichen Fabriken.

Die Leibeigenschaft ist gewifs von gröfstem Einflufs aufdie russische Gewerbeentwicklung gewesen. Sie wirkte, wiedie Unfreiheit im westlichen Europa , zunächst zu Gunsten desFortschritts. Wie einst die Grundherrschaft im Westen diefortgeschrittene landwirtschaftliche Technik der römischen Villadem germanischen Markgenossen aufzwang, so wurde in Rufs-land auf gleichem Wege eine fortgeschrittene gewerbliche Technikzwangsweise in Verhältnisse eingeführt, die noch weit ent-fernt waren, eine solche aus sich heraus zu entwickeln.

Ausgang der Entwicklung war hier wie dort die ge-schlossene Gutswirtschaft. Geschickte Bauernsöhne nahm derGutsherr auf den Herrenhof und bildete sie zu Handwerkern,sog. Hofleuten, aus h Daneben mufsten die Bauern aufserlandwirtschaftlichen Abgaben und Frohnden den Überschufsihres gewerblichen Hausfleifses dem Gutsherrn abgeben.

Nach einer feinen Bemerkung des A. Smith sind es dieLuxusbedürfnisse des Adels gewesen, welche zuerst Anstofs zurgeldwirtschaftlichen Entwicklung des platten Landes gaben.Auch der russische Adel wünschte weniger Naturalprodukteals Geld; denn er hatte auf Reisen und in Kriegen west-europäische Bedürfnisse kennen gelernt, die nur durch Geldzu befriedigen waren.

Geld konnte sich aber der Bauer immerhin eher nochdurch Verkauf gewerblicher Erzeugnisse oder durch Wander-gewerbe verschaffen, als durch Verkauf landwirtschaftlicherProdukte. Daher begünstigte der Gutsherr die bäuerlichenGewerbe. Insbesondere waren nach Haxthausen im nörd-lichen Rufsland, wo der bäuerliche Hausfleifs seinen Sitz hat,die Geldabgaben der Bauern häufig, während im rein land-wirtschaftlichen Süden Naturalabgaben und Frohnden überwogen.Ein grofser Teil dieser fälschlich sogenannten Hausindustrien istzweifellos zwangsweise durch den Adel eingeführt oder aus-gedehnt werden. Noch heute gilt ein ähnliches Verhältnis.

1 Ordega a. a. 0. S. 80.