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Man kann verschiedene Stufen dieser gutsherrlichen Ent-wicklung unterscheiden. Zunächst wurden die Bauern ge-zwungen, insbesondere des Winters, Frohntage in den guts-herrlichen Werkstätten zu leisten. Aber der Bauer erwiessich als völlig unbrauchbar zu halbwegs gelernter gewerblicherArbeit; er arbeitete so wenig als möglich und verdarb dieihm anvertrauten Werkzeuge. Das Nächstliegende war beruf-liche Trennung der gewerblichen von der landwirtschaftlichenArbeit h
Die zur Fabrikarbeit tauglichen Bauern wurden dauerndin die Fabriken aufgenommen, in Arbeiterkasernen unter-gebracht und beköstigt*, ihr bisheriges Land wurde häufigdem vom Gutsherrn selbst bewirtschafteten zugeschlagen. Soentstanden gewerbliche Gebilde, welche den Sklavenbetriebendes Altertums glichen: es handelte sich hier wie dort um diewirksamste Ausnutzung des Überschusses an Menschenmaterialdes Oikos 2 . Einen Lohn erhielten diese Leibeigenen selbst-verständlich nicht, sondern nur Beköstigung. Das Zwangs-mittel zur Arbeit war die Peitsche, das einzige Schutzmitteldes Arbeiters die Flucht. Die Bauern sprachen, nach demBericht eines Zeitgenossen, mit dem Ausdruck desselben Ent-setzens von der Fabrik wie von der Pest 3 .
Aber es gab zahlreiche Adlige, die nicht in der Lagewaren, eigene Fabriken anzulegen. Diese verkauften odervermieteten ihre überschüssigen Arbeitskräfte an fremdeFabriken (Kabalni rabotschi). Insbesondere in den ärmerenTeilen Weifsrufslands mieteten Agenten oder Zwischenmännerden Gutsherren das menschliche Arbeitsvieh in grofsem Um-fange ab und trieben es herdenweise unter scharfer Be-wachung den mittelrussischen Fabriken zu. Kinder wurden
1 Vevgl. Sem je ws ki, Bäuerliche Frage. Petersburg 1888. Bd. IS. 383—339. Uber diesen Gegenstand stellte die Freie ökonomischeGesellschaft von St. Petersburg schon 1812 eine Preisaufgabe.
2 Semjewski, Die Bauern zur Zeit Katharina II. Petersburg 1881.I S. 479.
3 Turgenieff, La Russie et les Russes II 143—144, eitiert beiTugan-Baranowski.