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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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hausen bemerkt in seinem 1847 geschriebenen Werke, dafsdie Russen sehr schlechte Fabrikarbeiter seien, wenn sie alsunfreie Fröhnder arbeiten;arbeiten sie aber zum eigenenVorteil, dann arbeiten sie herzhaft" ein Satz, der gewifsnicht blofs auf die Russen pafst. Der letzte Schritt also warder, den Unfreien auf eine feste Geldabgabe zu setzen unddie Verwertung seiner Arbeitskraft ihm selbst zu überlassen;es geschah dies zunächst mit solchen Leibeigenen, welcheHandel oder Gewerbe als Unternehmer betrieben. So gab esreiche Kaufleute, welche den Obrok als Zeichen der Unfrei-heit einem Gutsherrn Generationen hindurch entrichteten. Des-gleichen traten unfreie Bauern als hausindustrielle Verlegeroder Fabrikunternehmer auf und erwarben als solche oft grofseVermögen.

Höchst bezeichnend ist die Geschichte der Morosoff, einerder ersten russischen Fabrikantenfamilien der Gegenwart. DerStammvater derselben, der Leibeigene eines gewissen Rumin,begann gegen Ende des vorigen Jahrhunderts eine Seiden-weberei, welche durch die Unverfälschtheit der Seide und dieDauerhaftigkeit ihrer Farben sich auszeichnete eben dasGeschäft, aus dem sich später die gröfsten Baumwollspinnereiendes Wladimirschen Gouvernements entwickelten. Erst 1820gelang es ihm, sich um den für jene Zeit beträchtlichen Preisvon 17 000 Rubel freizukaufen 1 . Dagegen wurden die Malzoffs,die älteste russische Fabrikantenfamilie, schon frühe, vonKatharina II. 1775 in den Adelstand erhoben, womit daswertvolle Recht verbunden war, Leibeigene zu kaufen undohne Beschränkung und Staatsaufsicht zur Fabrikarbeit zuverwenden h

Besonders interessant waren die Verhältnisse in Ivanowo,einem Dorfe im Wladimirschen Gouvernement, welches seitMitte vorigen Jahrhunderts einer der ersten russischen Industrie-

1 Schischmarj eff, Kurze Beschreibung der Industrie des Be-zirks der Eisenbahn Nischni NovgorodSchujaIvanowo. Petersburg1892. S. 29.

2 Schisehmarjeff a. a. 0. S. 41.