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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
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Wie sehr früher die Schlechtigkeit der Landwege denAustausch von Agrar- mit Gewerbeprodukten in Rufsland er-schwerte, hierfür giebt es eine Fülle von Belegen. Die Ge-sandtschaften Rufslands nach den Mittelmeerländern zogenvor Erwerb der baltischen Küste die mehrere Monate dauerndeund gefährliche Seefahrt über Archangel durch das Polarmeerdem Landwege vor 1 . Für deutsche Industrieen, welche nachRufsland ausführten, bedeutete anhaltendes Regenwetter, wegenUnpassierbarkeit der nach Rufsland führenden Verkehrswege,Geschäftsstockung 2 . Nach Wendlands Berechnung führt heutedie Eisenbahn 1 Pud Getreide bei kurzen Entfernungen für1 i20 Kopeken pro Werst, bei Entfernungen von 500 Kilometer für1 Uo Kopeken pro Werst, und bei 1000 Kilometer für 1 ho Ko-peken pro Werst, das ist viermal, achtmal, vierzehnmal sobillig als die Axe selbst bei günstigem Landstrafsenverkehr esvermochte. Letztere aber versagt bei Herbstregen und währendder Schneeschmelze gänzlich 3 . Welches Hindernis des Ver-kehrs müssen erst die Entfernungen und der völlige Mangelan Landstrafsen im vorigen Jahrhundert gewesen sein! Hierwar der ganze Verkehr auf den Schlitten während des Wintersangewiesen.

Aber wenn sich die technischen Grundlagen des Handelsvon einem Lande in das andere übertragen lassen, so giltdies nicht in gleicher Weise von den geistigen Voraus-setzungen. Es ist denkbar, die gewerbliche Produktion staat-lich zu reglementieren; der Fabrikant wie der Arbeiter be-linden sich dann in Beamtenstellung zum Staate, und dasVerhältnis beider zu einander wird nach der Art der mili-tärischen Subordination geordnet. Der moderne Handel da-gegen, welcher auf Konkurrenz und Spekulation, nicht wieder mittelalterliche Handel auf Privileg beruht, erfordert seitseinem Auftreten individualistische Motive. Es ist technisch

1 Brückner, Peter der Grofse S. 8.

2 Vergl. Bein, Industrie des Voigtlandes II. S. 88.

3 Vergl. Wendland, Die deutschen Getreidezölle. Berlin 1892. S. 6.