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22 Anzügler, 20 von ihnen jüngere Söhne, welche wegendes in der Mutterkolonie an der Molotschnaja herrschendenAnerbenrechts ein Unterkommen auswärts suchen mufstenund ihre Abfindungsgelder in dem billigeren Boden des Char-koffer Gouvernements anlegten. Hier wurden sie „Vollwirte",d. h. Bauern zu 60 Defsjätinen; bei Fleifs und Gunst derZeit werden sie dieses Land allmählich von den Schuldenreinigen. Aufser ihnen kamen zwei Vollbauern aus derMutterkolonie, welche dort ihre Stellen verkauft hatten unddafür hier dreifach gröfsere (180 Dessj.) kauften. Sie thatendies in der Hoffnung, auch ihre jüngeren Söhne einmal mitLand auszustatten, indem bei ihrem Tode ihr Besitz in je dreiVollbauernhöfe zu 60 Defsjätinen zerfallen wird.
An einer breiten Dorfstrafse errichteten die Ansiedlersaubere Ziegelgebäude mit Schindeldächern, welche sich vonden russischen Bauernhütten augenfällig unterscheiden. DasHaus steht mit der Schmalseite nach der Strafse ; der vordereTeil enthält drei bis vier Stuben, sowie eine Küche; derhintere Teil des Hauses unter demselben Dach den Stall fürdas Grofsvieh. In gleicher Linie hinter dem Hause liegt derGetreidespeicher, welcher zum Schütten und Aufbewahrendes Getreides benutzt wird ; seitlich und von untergeordneterBedeutung, zum Teil nach kleinrussischer Art aus getrocknetemDung gebaut, ein Schuppen für das Ackerzeug und einSchweinestall. Hinter den Höfen sah ich allenthalben Garten-anlagen mit reichlicher Baumpflanzung.
Jeder der Vollwirte hat von seinen 60 Defsjätinen gegen15 Defsjätinen, die gröfseren Wirte entsprechend mehr, alsdauernde Weide ausgesondert; dieselbe wird gemeinsam vondem Vieh der Ansiedler beweidet, jedoch unter fest beschränktemAnteilrechte jedes Wirtes. Jährlich setzt die Gemeindever-sammlung fest, wieviel Vieh im ganzen zur Weide zugelassenwird, wonach sich dann die auf den einzelnen Wirt kommendeStückzahl bemifst.
Alles übrige Land ist Acker ; Wiesen besitzt die Kolonienicht. Das Ackerfeld ist einer Vierfelderwirtschaft unterworfen;