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Obige Schilderung habe ich im wesentlichen unverändertnach meinem Bericht in der Münchener Allgemeinen Zeitungabgedruckt, um den Eindruck des Augenscheins nicht zu ver-wischen. Ich schildere damit eine periodische Erscheinung,welche sich erst Winter 1898/99 wiederholt hat. Nach denPetersburger Nachrichten des Fürsten Uchtomski „schliefstdas Gebiet, das in Mitleidenschaft gezogen ist, mehrere grofseProvinzen in sich und erstreckt sich von den Höhen des Uralim Osten bis nahe an Moskau im Westen, während es vonNord nach Süd auf beinahe 10 Grade sich ausdehnt. Es sindfast durchwegs dieselben Provinzen, die schon durch dieHungersnot der Jahre 1891 und 1892 betroffen waren."
Es sind, so können wir hinzusetzen, die naturalwirtschaft-lichsten, dem Gemeindebesitz tiefst ergebenen, kontinentalstenLandstriche des östlichen und südöstlichen Rufsland. Menschlichtief beklagenswert, sind diese periodischen Notstände immerhinvolkswirtschaftlich nicht zu überschätzen, da es sich um eineallgemein asiatische Erscheinung handelt, deren auch die er-leuchtete britische Regierung in Indien nicht immer Herr wird.
III. Reisebrief aus dem Gouvernement Charkoff.
Sommer 1895.
A. Gemeindebesitz, Landumteilungen.
Das Gouvernement Charkoff, von Norden nach Südendurchschnitten durch die wichtige Eisenbahnlinie Moskau -Krim , zerfällt in zwei Teile. Der nördliche Teil gehört dermittelrussischen Schwarzerde an, ähnlich dem angrenzendenGouvernement Kursk; der südliche Teil ist schwarzerdigeSteppe. Der nördliche Teil weist alte Siedelung auf, dersüdliche Teil war bis zu Katharina II. das Wandergebietasiatischer Nomaden; der nördliche Teil besitzt kleinrussischeBevölkerung, wärend im Süden den Kleinrussen zahlreichegrofsrussische Staatsbauern, zum Teil alte Militäransiedler,sowie deutsche Kolonisten untermischt sind. Beide Gebietesind fast ausschliefslich mit Getreide bestellt; die letzten Restejungfräulicher Steppe sind heute nahezu verschwunden; abernoch erinnert die Baumlosigkeit des Südens an die einstige Steppe,