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zunächst wird dieser Mangel in Folge der eingeführten Tief-pflügung der Brache wenig gespürt. Anders in den Mutter-kolonien im Taurischen, wo die Düngung des stärkerausgenutzten Bodens immer mehr um sich greift. DasHaupthindernis besteht darin, dafs in dem baumlosen Landeder Dünger unentbehrliches Brennmaterial ist. Bedenkt manaber, wie nahe die Kohlenschätze des Donezbeckens sichbefinden, so sollte man den Ersatz des Düngers durcheinen rationelleren Brennstoff für möglich halten. In derThat wurde uns berichtet, dafs in den Mutterkolonien mitder Düngung der Felder auch der Gebrauch der Stein-kohle um sich greife. Angesichts dieses Zusammenhanges istdie Höhe der russischen Kohlenzölle unverständlich. Diehohen Kohlenpreise sind ein schweres Hindernis für dentechnischen Fortschritt der südrussischen Landwirtschaft.
Gerade in der besuchten Kolonistenwirtschaft dürfte dieNotwendigkeit der Düngung frühe empfunden werden, da sievöllig auf Weizenbau beruht, welcher bekanntlich am meistenvom Boden fordert. Weizen ist nahezu das einzige Erzeugnis,das diese Kolonisten für den Markt hervorbringen; er be-deckt 60—70 °/o der gesamten besäeten Fläche. Alle anderenFeldfrüchte werden hauptsächlich zum eigenen Verbrauchangebaut.
Fragen wir zum Schlufs: worin bestehen die Vorteileder Kolonistenwirtschaft über die benachbarte russischeBauern Wirtschaft ? Ein technischer, ein rechtlicher und eingeistiger Gesichtspunkt scheint in Betracht zu kommen.
Technisch bedeutet die Kolonistenwirtschaft, unterrücksichtsloser Ausbeutung des Bodens eine möglichste Er-sparnis an Arbeit (Ersatz der Arbeit durch Kapital). Nochheute gilt der von Haxthausen aufgestellte Satz, welcherangesichts der niederen Tagelöhne Rufslands paradox erscheint:„la main d'oeuvre est chere en Russie". Klar wird dieseBehauptung dem Reisenden, wenn er beispielsweise in denHerrenhäusern die doppelte und dreifache Anzahl von dienen-dem Personal antrifft, als in Westeuropa , und dabei dieTrägheit derselben beobachtet. Ja noch mehr: gelernte und