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Volkswirtschaftliche Studien aus Rußland / von Gerhart v. Schulze-Gävernitz
Entstehung
Seite
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hochleistungsfähige Arbeit ist in Rufsland zur Zeit häufigüberhaupt kaum zu haben. Ich hörte bei den umwohnendenBauern die Bemerkung, dafs die Deutschen zwar sehr hoheLöhne zahlten, jedoch die Arbeit hei ihnen so schwer undanstrengend sei, dafs nur kräftige, jüngere Männer sich all-mählich dazu entschlössen. Die geringe Leistungsfähigkeitder Handarbeit machen die Maschine vorteilhaft, um so mehr,als von allen Zweigen der Landwirtschaft der Getreidebauam meisten zur Maschine hinneigt.

Aber die Maschine erfordert, um sich zu rentieren, eingröfseres Areal, als die russische Bauernwirtschaft gemeinhinaufweist. Schon wegen des geringen Landbesitzes ist dermittlere russische Bauer in dem von mir bereisten Bezirk vonder Maschinenanwendung ausgeschlossen. Anders die gröfserenWirte, welche, wie wir sahen, die Maschine begierig auf-nahmen. Hierdurch allein ist es ihnen möglich, weichen-den Getreidepreisen durch Herabdrückung der Produktions-kosten zu folgen. Mit den gleichen Arbeitskräften bestelltder gröfsere Bauer nunmehr ein vier- bis fünfmal so grofsesAreal als der mittlere Mujik. Er produziert billiger ausähnlichen Gründen, wie der englische Spinner billiger alsder deutsche, der polnische billiger als der Moskauerproduziert.

Rechtlich ist der Kolonist dem russischen Bauern durchdie Sicherheit seines Besitzrechtes an Grund und Boden über-legen, was sorgfältigere Bebauung und längeren Fruchtwechselermöglicht; ferner kommt in Betracht die Zusammenhaltungdes Bodens in Betriebsgröfsen, welche Maschinenanwendungund Arbeitsersparnis ermöglichen. Im Erbfalle wird der Hofallgemein einem Anerben übergeben oder zwischen demältesten und jüngsten geteilt, sodafs zwei Halbwirte zu je30 Defsj. entstehen. Eine Halbwirtschaft wird nicht weitergeteilt.

Dieser Anerbengewohnheit entspricht eine eigentüm-liche Einrichtung zur Versorgung der nichterbenden Söhne,welche sich mit der Zeit der anziehenden Getreidepreise inden 70er Jahren gebildet hat. Die Mutterkolonieen besitzen