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1 (1930) Vom Staatssekretariat bis zur Marokkokrise
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DEN AGRARIERN EINS AUF DEN KASTEN

Eulenburg nach Baden-Baden die Rede war. Eulenburg, hieß es in diesemArtikel, möchte Statthalter von Elsaß-Lothringen werden. Um diesen Postenfreizumachen, wäre er bemüht, den Großherzog Friedrich für den Gedankenzu gewinnen, den Fürsten von Hohenlohe- Schillingsfürst als Kanzler durchden Fürsten von Hohenlohe-Langenburg zu ersetzen. Unter solchen Ge-sprächen war es allmählich Mitternacht geworden, und uns beide überkamder Schlaf, der SeeF Unruhe zerstreuend, heute wie in den Tagen des gutenHomer.

Als wir in den Frankfurter Bahnhof einfuhren, meinte Lucanus, wirEmpfang würden Seine Majestät wahrscheinlich in Homburg am Bahnhof finden.durch den Wenn d er Kaiser einen neuen Minister ernannt habe, könne er es gar nicht^ Kaiser erwartenj zu se h en und mit seinen Gedanken zu erfüllen. VoraussichtlichS werde der hohe Herr die Rede zunächst auf innere Politik und insbe-sondere auf die Frage des Zolltarifs bringen. In dieser Beziehung müßte ichvorsichtig sein. Der Kaiser sei sehr erbittert gegen die Agrarier, denen er,nicht mit Unrecht, die Hauptschuld an dem Scheitern seiner Kanalplänezuschreibe. Auch wäre Seiner Majestät von Hamburger Freunden gesagtworden, daß die Erhöhung und nun gar die Bindung der Getreidezölle dasZustandekommen von Handelsverträgen unmöglich machen würde. DerKaiser wolle unter allen Umständen und um jeden Preis Handelsverträge.Ich entgegnete, daß ich allerdings aus wirtschaftlichen und noch mehr aussozialpolitischen und nationalen Gründen einen verstärkten Schutz derLandwirtschaft für unerläßlich hielte. In dieser Überzeugung würde ichmich nicht erschüttern lassen. Lucanus machte ein bedenkliches Gesicht,er zitierte eine Reihe überaus drastischer Auslassungen des Kaisers gegenden Bund der Landwirte und fügte erläuternd hinzu, daß den Kaiser nachseiner Natur und Mentalität die Landwirtschaft viel weniger interessiereals die Industrie und nun gar als Handel und Schiffahrt. Wir redeten nochhin und her, als der Eisenbahnzug an dem kleinen Homburger Bahnhofhielt und wir auf dem Perron den Kaiser erblickten. Er begrüßte mich aufdas herzlichste, nahm mich dann unter den Arm und forderte mich zu einemSpaziergang auf, damit wir sofort gemeinsam ein Regierungsprogramm ent-würfen, wie er lächernd meinte.

Sobald wir allein waren, brachte cler Kaiser tatsächlich sogleich die Redeauf die Zoll- und Handelsfragen. Vor allem müsse ich dem Bund der Land-wirte und den Agrarierneins auf den Kasten geben". Das hätten sie durchihre Haltung in der Kanalfrage und durch dieunverschämte Sprache",die sie führten, hundertfach verdient. Von einer Erhöhung und nun gar voneiner Bindung landwirtschaftlicher Zölle könne natürlich nicht die Redesein. Während wir die EHsabethquelle umwandelten, setzte ich SeinerMajestät auseinander, weshalb ich einen stärkeren Schutz für die deutsche