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Festsetzung der Russen in Konstantinopel zulassen könne. Der Ministerstimmte mir zu, als ich ihm sagte, die Dardanellenfrage wäre eine euro-päische Frage; Osterreich habe gar keinen Grund, sich mit besonderemEifer in dieser Richtung in Gegensatz zu Rußland zu stellen, sondern mögelieber die Westmächte vorgehen lassen. Das verständige Leitmotiv desGrafen Goluchowski war, daß wir den Status quo auf der Balkanhalbinsel so lange als möglich aufrechterhalten und durch eine geschickte Politik dieOrientalische Frage langsam und „etappenweise" lösen sollten. Die türkischeHerrschaft müsse allmählich durch autonome Staatswesen ersetzt werden,ein möglichst großes Griechenland, ein großes Bulgarien, ein starkes Ru-mänien, ein schwaches Serbien , ein bescheidenes, weil kleines Montenegro,ein selbständiges Albanien .
Wie alle österreichischen Kavaliere und Militärs sprach Goluchowski sehr gereizt über das Verhältnis zwischen Österreich und Italien , über denitalienischen Irredentismus und die italienische Propaganda in Albanien .Ich erwiderte ihm, daß ich bei einem Besuch in Lugano vor Jahren auf demdortigen Marktplatz einen Obelisk erblickt hätte, der zur Feier der Vereini-gung des Kantons mit der Schweiz errichtet worden wäre. Er trüge dieInschrift: „Sempre liberi, sempre Svizzeri!" Wenn ein solcher Obelisk inTriest errichtet werden könnte, gäbe es keinen Irredentismus mehr. DasIdeal des Grafen Goluchowski wäre die Ersetzung des Dreibunds durch einDreikaiserbündnis gewesen — eine Gruppierung, der auch Fürst Bismarck vor allen anderen den Vorzug gab, die aber seit der Kündigung unseresRückVersicherungsvertrages mit Rußland außerhalb des Bereiches derpraktischen Möglichkeit lag. Merkwürdig erscheint mir in der Erinnerung,daß Goluchowski, der einen großen Teil seines Lebens in Paris verbrachthatte, der mit einer Französin verheiratet war und zahlreiche Verbindungenin Frankreich besaß, mir 1903 eine wirkliche und dauernde Annäherungzwischen Frankreich und England als völlig unmöglich bezeichnete.Zwischen beiden stünden zu viele reale Interessengegensätze und störendeErinnerungen.
Kaiser Franz Josef , der mich mit gewohnter Huld empfing, sprachgleichfalls mit Sympathie von Lambsdorff, dagegen über Italien noch Empfang beigereizter als sein Minister. Als vornehmer und galanter alter Grand- Franz Josefseigneur lobte er die Königin Elena, die eine schöne und sympathischeFrau wäre, fand dagegen ihren Gatten zu ehrgeizig, zu aktiv. MitKönig Humbert wären gute Beziehungen leichter aufrechtzuerhaltengewesen. Während Goluchowski seinem Naturell entsprechend die Situa-tion eher optimistisch beurteilte, als Jean qui rit, war der alte Kaiser,obwohl er körperlich wohl aussah, offenbar in gedrückter Stimmung, mehrJean qui pleure.
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