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[Hauptbd.] - 1864
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IX
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Vorwort.

IX

ganz ermessen lernen. Sämmtliche deutschschweizerische Bibliotheken, anßcr denenvon Chur und Solothurn und einigen sehr kleinen, deren Kataloge nichts Er-hebliches enthielten, habe ich selbst durchmustert, die größte: die Zürcher Stadt-bibliothek, über zehn Jahre zu benutzen Gelegenheit gehabt; einzig Aarau undLuzern (Bürgcrbibl.) boten aus dieser Zeit so gut wie uichts. Ueber die Bib-liothek des Baseler Antistitii blieb mir der Pfarrer Sarasiu jede Antwortschuldig. In Ulm, Freiburg i. Br., Donaueschiugcn, Augsburg, München ,Bamberg, Erlangen, Mayhingcu, Meiuiugen, Wernigerode , im Germ. Museum,in Wien , fanden sich manche seltene Ausgaben, iir. den meisten BibliothekenNeues, allen bisherigcu Forschern Unbekanntes.

Aus dem Umstände, daß selten Exemplare einer nud derselben Ausgabein den verschiedenen Bibliotheken auftauchen, erhellt mit Sicherheit, daß eineziemliche Meuge alter Ausgabeu im Laufe der Zeit verschwunden ist, daß jedochdie Reformationszeit und die ihr vor- und nachgehenden Jahre mehr in diesenbeklagenswerthen Ruiu verwickelt sind als das 15. Jahrhundert. Der einfacheGrund liegt darin: hier schrieb mau für die Gelehrten, und. die Gelehrte)!hoben ihre Bücher sorgfältig auf, dort schrieb mau für das Volt, und das Volklas uud verbrauchte, was es gekauft hatte. Die Versolguugswuth der Regie-rungen uud privilegirteu Klassen that auch ein Uebriges. Soviel dabei nochvon der vorreformatorischeu Volksliteratur, den warnungs- und drohungsreichenPraktiken, Kalendern und Prognostiken, den Gemälden und Auslegungen übrig^alles dies, z. B. 52 Praktiken-Ausgaben, wird Dr. Joh. Friedrichs sorgfältigeAbhandlungAstrologie und Reformation. Oder Die Astrologen als Predigerder Reformation und Urheber des Bauernkrieges" (München bei Nieger 1864)bibliographisch und unparteiisch illustriren. In jeuer Zeit weltlicher uud geist-licher Tirannei waren sowohl für die Gelehrten als für das Volk die Gestirnedie einzigen Tröster und Stützen (für das mangelnde Selbstbewußtsein) in derso ersehnten Hoffnung auf Befreiung. Doch die Praktiken so gut wie Refor-mation und Bauernkrieg waren nur ein Resultat der eleuden Lage des vonseinen Herren ausgesogeueu Volkes, als dieses sich immer mehr seines niederenZustandes bewußt ward. Hätte es für die traurige fühlbare Praxis noch dertheoretischen Prognostiken bedurft? Das behaupten nur die Privilegirtcn uudihre Anhänger in ihrer steten Angst. Was die Astrologen schrieben, das M)ltelängst Jedermann im Volte. Jenes von den Herren gezimmerteRecht" warein Gegenstand der Furcht und des Abscheu's geworden. Rücksichtslos betrachtet,ist Luther der erste bestimmte Ausdruck descoustitutionellen" Mischprincipsgegen die Anmaßungen der fürstlichen Oligarchie. Die Reformideen warennaturgemäß im Schoose des Katholicismus erzeugt und gewachsen. Eingroßer Irrthum ist Friedrichs Behauptung S. 43, die astrologische Literatursei zahlreicher als die reformatorische. Vom Jahre 1500 bis 1517 zählt Panzeracht deutsche Praktiken, deuen ich dreizehn aus derselben Periode hinzufügte,wobei jedoch mehrere neue' Abdrücke. Der späteren Verhältniß zu den refor-matorischen ist wie 1 zu 10. Derartige allen Thatsachen widersprechende Phan-