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Minna von Barnhclni.
v. Tellheim. Ich brauche keine Gnade; ich will Gerech-tigkeit. Meine Ehre —
Das Fräulein. Die Ehre eines Mannes, wie Sie —
v. Tellheim. (hitzig) Nein, mein Fräulein, Sie werdenvon allen Dingen recht gut urtheilen können, nur hierübernicht. Die Ehre ist nicht die Stimme unsers Gewissens, nichtdas Zeugniß weniger Rechtschaffnen —
Das Fräulein. Nein, nein, ich weiß wohl. — Die Ehre ist— die Ehre.
v. Tellheim. Kurz, mein Fräulein, — Sie haben michnicht ausreden lassen. — Ich wollte sagen: wenn man mirdas Meinigc so schimpflich vorcnthält, wenn meiner Ehre nichtdie vollkommenste Genugthuung geschieht; so kann ich, meinFräulein, der Ihrige nicht seyn. Denn ich bin es in den Au-gen der Welt nicht werth, zu seyn. Das Fräulein von Barn-helm verdienet einen unbescholtenen Mann. Es ist eine nichts-würdigc Liebe, die kein Bedenken trägt, ihren Gegenstand derVerachtung auszusetzen. Es ist ein nichtswürdigcr Mann, dersich nicht schämet, sein ganzes Glück einem Frauenzimmer zuverdanken, dessen blinde Zärtlichkeit —
Das Fraulein. Und das ist Ihr Ernst, Herr Major? —(indem sie ihm plötzlich den Rücken wendet) Franciska!
v. Tellheim. Werden Sie nicht ungehalten, mein Fräulein —
Das Fräulein, (bev Seite znr Franciska) Jetzt wäre es Zeit!Was räthst du mir, Franciska? —
Franciska. Ich rathe nichts. Aber freylich macht er esIhnen ein wenig zu bunt. —
v. Tellheim. (der sie zu unterbrechen kömmt) Sie sind unge-halten, mein Fräulein —
Das Fräulein, (höhnisch) Ich? im geringsten nicht.
v. Tellheim. Wenn ich Sie weniger liebte, mein Fräulein —
Das Fräulein, (noch in diesem Tone) O gewiß, es wäremein Unglück! — Und sehen Sie, Herr Major, ich will IhrUnglück auch nicht. — Man muß ganz uneigennützig lieben.—Eben so gut, daß ich nicht offenherziger gewesen bin! Vielleichtwürde mir Ihr Mitleid gewähret haben, was mir Ihre Liebeversagt. — (indem sie den Ring langsam von, Finger zieht)