Bürger und Beamte. Hochmut und Engherzigkeit.
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durchzuführen, so war es noch weit weniger möglich, die alte Ge-sellschaft mit diesem neuen Geiste zu durchdringen und sie von denaus dem 18. Jahrhundert überlieferten Anschauungen zu befreien,daß der Bürger in öffentlichen Angelegenheiten der Weisheit derBeaniten zu vertrauen und ihre Bevormnndnng ehrerbietig zudulden habe. Auch heute ist diese Lehre vom beschrankten Unter-thanenverstande nicht beseitigt, in der Periode von 1815—40 aberfühlten sich die Beamten noch in ungleich höherem Maße als diebevorzugten Glieder des Staates und als die alleinigen Trägerbegründeten Urteils in allen Fragen der Verwaltung. Sie gefielensich in diesem Hochmut, obwohl sie andererseits für sich selbst garnicht das Recht des selbständigen Urteils in Anspruch nahmen,sondern sich verpflichtet glanbten, ihre Meinung nach den Befehlenihrer Vorgesetzten zu richten uud zu ändern. Selbst Ministertraten regelmäßig von ihrem Amte nicht zurück, wenn sie genötigtwurden, wichtige Verhältnisse nach Grundsätzen zu verwalten, diesie in der Beratung für verderblich erklärt hatten.
Als die Stände Westfalens dem Könige 1831 den Plan einerBahn von Minden nach Lippstadt unterbreiteten und baten, sieentweder von Staats wegen zu bauen, oder zu gestatten, daß dieUnterzeichneten, an deren Spitze noch einmal der alte Stein erschien,eine Aktiengesellschaft bildeten, um den Bau zu übernehmen, da er-hielten sie anderthalb Jahre hindurch keine Antwort und daun einevorläufig ablehnende. Das jetzige Kommuuikationsbedürsnis seidnrch die vorhandene Chaussee gedeckt, die künstige kommerzielle Be-deutung beruhe aus unsicheren Voraussetzungen. Erst 1847 wurdedie Bahn eröffnet. Wenn Deutschland bis 1840 doch wenigstensschon 54ö Kilometer Eisenbahnen hatte, etwas mehr noch alsFrankreich , so dankte es das vorzugsweise der Energie tüchtigerBürger und solcher Beamten, die die Bedeutung des Bürgertumserkannten, wie der Badenser Winter. Leider haben wir nur wenigeeingehendere Biographien von Geschäftsleuten und Beamten, undnamentlich über ihre Kämpfe gegen hindernde Verordnungen nndgegen die Willkür der Beamten ist nur ausnahmsweise eine Knndeerhalten, die über allgemeine Wendungen hinausgeht. Die Er-zählungen des späteren Abgeordneten v. Unrnh aus seiner Thütig-
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