Die Göttiuger Sieben.

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In einer Staatskrisis, wo sonst nur zu oft die rohe Gewalt unter Auf-losung aller gesetzlichen Bande entschied, da haben die Göttingcr Sieben imGeiste der Versöhnung auf die unverletzliche Macht des Rechtes und derOrdnung hingewiesen. Welche Beruhigung nmß es jetzt dein loyalen Bürgergewähren, da ihn? das Beispiel der Göttinger Professoren den festen Felsender Gesetzmäßigkeit gezeigt hat, an welchem das Staatsschiff im Augenblickder Gefahr ankern kann, um unbesorgt die Wechsel zu erwarten, welche dienotwendige Entwickelung des Staatslebens früher oder später unter jederForm der Gesellschaft heraufführt.

Eine Abschrift der Adresse sandte man an den Minister des Innern,v. Rochow, nm ihn anzuregen, den Professor Albrecht, der ge-borener Prenhe war, in preußische Dienste zu ziehen. Darauferwiderte Herr v. Rochow, daß er das Vorgehen der GvttingerProfessoren nicht billige, sondern

vielmehr für ebenso unbesonnene als tadelnswerte und nach diesseitigenLandesgesetzen felbst strafbare Anmaßung halte. Es ziemt dem Unterthanen,seinem Könige und Lnndesherrn schuldigen Gehorsam zu leisten und sich beiBefolgung der von ihm ergehenden Befehle mit der Verantwortlichkeit zuberuhigen, welche die von Gott eingesetzte Obrigkeit übernimmt, und es ziemtihm nicht, an die Handlungen des Staatsoberhauptes den Maßstab seinerbeschränkten Einsicht anzulegen.

Unglücklicher konnte die Theorie vom göttlichen Rechte der Fürsten nicht formuliert werden. Das hieß doch, daß der Unterthan jedesVerbrechen begehen muß, das Serenissimus befiehlt, und GoethesSchwiegertochter traf das rechte Wort, indem sie ein poetischesMärchen von demHerrscherwahnsinn" eines chinesischen Kaiserserzählte. Größenwahn, der an Gotteslästerung streifte! Das warder Dämon, der allen diesen Fürsten zur Seite saß. Genährt vonSchmeichlern, riß er gelegentlich anch die bescheidneren Naturenauf den Thronen zu Handlungen und Erkläruugen fort, die uichtswareu als Frevel und bei den kleinen Verhältnissen ihrer Macht,sowie bei ihren menschlichen Schwächen und Bedürftigkeiten sieund mit ihnen das monarchische Prinzip dem Spott und der Ver-höhnung preisgaben.

Die Fürsten selbst haben in jenen Jahrzehnten dem monar-chischen System schwerere Wunden geschlagen, als alle radikalenPublizisten und Poeten, aber vor allem Ernst August von Hannover.Wohl hat er mehrfach Verteidiger gefunden. Seine kräftige, sol-datische Natur und sein gesundes Urteil nahmen sür ihn ein, und

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