Radowitz. Sein Sturz.

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umgestaltet werden könnte, daß sie zu bestehen vermag. Das sind die Zeiten,wo daS Alte mit dem Neuen, der bisherige Zustand der bürgerlichen Ge-sellschaft mit einem anderen noch unentschiedenen und von der Entscheidungweit entfernten im Kampfe liegt! Wehe dem Fürsten , wehe dem Staats-manne, dessen Leben in solche Zeiten fallt! Was er auch thue, er thut esentweder zu spät oder zu früh, er sieht vielleicht das Ziel, aber er kaun cSnicht erreichen.

Dieses mitleidsvolle „Wehe" ist zunächst zur Entlastung seinesKönigs und seiner eigenen Politik bestimmt, aber es ist nur einesentimentale Klage. Warum konnte der König nicht die Schädender Gerichtsbarkeit, der Gemeindeverfassung und der ungleiche»Besteuerung, den elenden Zustand der Volksschule und so manchenanderen vielbeklagten Mangel der preußischen Einrichtungen be-seitigen, wenn er auch die Form des absoluten Regiments nicht zubessern wagte? Aber in der Frage der deutschen Resorm hatteRadowitz in Frankfurt doch eine gewisse Festigkeit gewonnen undbestand als Minister im Sommer 1850 auf dem Satze, daßPreußen seine deutsche Aufgabe volleuden müsse und vor Öster-reichs Drohen nicht zurückweichen dürfe. Die Kreuzzeitungsparteisetzte alle Hebel in Bewegung, ihn zu stürzen, aber am 26. Sep-tember erhielt er das Ministerium des Auswärtigen uud am28. Oktober 1850 gelang es ihm, den König und den Prinzenvon Preußen gegen Rußland in Zorn zu entflammen, sodaß derKönig die Mobilmachung befahl. Der Befehl wurde jedoch vouden Ministern nicht ausgeführt, am 2. November stürmte derPrinz von Preußen zornig aus dem Miuisterrat und schalt aufdie Minister, weil sie zauderten. Der König war eben durch Gerlachund die Kreuzzeituugsgenossen umgestimmt worden, man hatte ihmklar gemacht, daß Radowitz ihn „in Widerspruch mit sich selbstsetze". Das war auch richtig, denn die Pietät gegen das habs-bnrgische Kaiserhaus, die nicht ohne einen Beigeschmack vonUnterthauen-Loyalitüt und Vasallen-Ergebenheit war, und dasbescheidene Zurücktreten vor dem Zaren bildeten den verhältnis-mäßig festesten Kern in dem Gemenge von politischen Gedankenund Stimmungen des Königs. Am 3. November 1850 mußteRadowitz seine Entlassung nehmen. Der König vvllzog sie, fühltesich aber zugleich gänzlich gebrochen durch den Bankerott der