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Preußen hatte sich dagegen seit 1813, und nnter Friedrich Wil-helm IV. vielleicht noch mehr als unter Friedrich Wilhelm III., inerster Linie als Glied des Bundes und damit verpflichtet gefühlt,auf Österreich Rücksicht zu nehmen. Die Tradition Friedrichs desGroßen war verlassen, ja vergessen: aber in diesen Jahren 1850bis 1859 hat Osterreich Preußen förmlich gezwungen, sich vondiesen Vorstellungen zu befreien; man könnte sagen, es habe Preußen dazu erzogen, sich der Politik Friedrichs des Großen wieder zuerinnern.
Die Mittelstaaten traten 1850 in diese Periode als das Ge-folge Österreichs im Kampfe gegeu Preußen ein. „Ich folge meinemKaiser, wohin er mich ruft", sagte der König von Württemberg ,und Bayern unterzog sich im Dienste Österreichs der Exekution inKurhessen, deren sich die bayerische Regierung selbst geradezu schämte.Die Furcht vor der Reichsverfassung von 1849 und vor dempreußischen Kaisertum beherrschte sie ganz. Da erlebten sie nuneinmal, daß Osterreich sie als Vasallen ohne eigenen Willen be-handelte und sich sogar im April 1854 mit dem gemeinsamenGegner Preußen über die orientalische Politik des Bundes einigte,ohne sie zu fragen. Nun versuchten sie sich unabhängig zu machen,aber ihre Beratungen zn Bamberg im Mai 1855 hatten keinerleiErfolg. Sie mußten erkennen, daß der Bund ihre Souveränitätnicht schütze, daß sie nur so lange etwas zu bedeuten schienen, alsPreußeu und Österreich gegeneinander standen, daß aber dieserSchein in dem Augenblicke schwinde, in dem sich Österreich undPreußeu einigten. Bei den Zollvereinsverhandlungen, bei demAbschluß des Londoner Protokolls, in der Neuenburger Angelegen-heit, bei den Besuchen der Kaiser von Rußland nnd Osterreich inBerlin (1852), wie bei dem Besuche Napoleons zn Baden-Baden (1860) und endlich bei dem italienischen Kriege von 1859 wurdeihneu das immer aufs neue verdeutlicht.
Dazu kamen die Eifersüchtelei der Fürsten wie der Ministerund der Gegensatz der Interessen untereinander. Wenn Württem-berg Preußen die Kaiserkrone nicht gönnte, so wollte es doch nochweniger im Gefolge Bayerns gehen; in Baden aber waren die Be-sorgnisse noch nicht vergessen, die mau einst vor Bayerns An-