Der Kaiser und Baron Gablenz.

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Verzicht auf Venedig zu erweitern, wozn er sich schon drei Wochenspäter in dem Vertrage mit Napoleon vom 12. Juni 1866 eben-falls entschloß. Für Deutschland hätte sich auf der Grundlagedieses Planes eine Entwickelung denken lassen, die durch die Siche-rung der deutschen Elemente Österreichs einen eigentümlichen Vor-zug vor der gegenwärtigen Rcichsbildnng gehabt hätte, und in dervielleicht auch gewisse innere Schwierigkeiten, namentlich die kirchen-politischen, mit denen heute das deutsche Reich zu kämpfen hat,leichter überwuuden worden wären. Aber freilich hätte der Planauch Nachteile im Gefolge gehabt, dcreu Gewicht keine Spekulationermessen kann; und so liegt kein Grund vor, sich durch deu Blickauf jene möglichen Vorteile die Freude über die Ergebnisse von1866 und 1870 verkümmern zu lassen.

Der Kaiser beklagte, daß dieser Vorschlag nicht sechs oder achtWochen früher gemacht worden sei; in der gegenwärtigen Lageglaubte er nicht daraus eingehen zu können. Hielt ihn ein Miß-trauen gegen Preußens Aufrichtigkeit zurück? Der rasche Wechselin den Vorschlägen legte das nahe; aber hatte nicht Österreich imHerbst 1863 bei den Vorschlägen über die Bundesreform in ähn-licher Weise die Partei gewechselt? Lag die Schuld uicht mehran der verzweifelten Natur des Gegenstandes? So ist es auchwahrscheinlicher, daß der Kaiser deu Plan ablehnte, weil er fühlte,daß er fchon zn weit gegangen, namentlich mit Sachsen zu engverbunden sei, als daß er nun plötzlich diesen Verbündeten anPreußen ausliefern könne.

Freilich hat ihn das Schicksal des Krieges hierzu doch ge-zwungen, aber es liegt in den besten Zügen der menschlichen Naturbegründet, daß wir solche Entscheidungen nicht unserer Willkürüberlassen mögen, sondern das Gottesurteil des Schwertes anrnfen.

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