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Kaiser und Reich.

oft glänzender Redner. Seine Selbstlosigkeit und der Mut derÜberzeugung erwarben ihm allgemeine Achtung, aber er nahm auchinnerhalb seiner Partei oft einen isolierten Standpunkt ein,undein gewisser Haug zur Rechthaberei erschwerte es ihm dann, den-selben zu verlassen". Er nahm politische Fragen bisweilen zu ein-seitig juristisch und reizte die Gegner zwar nicht durch heftigeWorte, aber durch eine lehrhafte Art und eine vielleicht darfman es so nennen überlegene Pose, sowie durch eine damitverbundene Empfindlichkeit, was alles Bismarck mit dem WorteLaskerei" zusammenfaßte und was ihn mehr reizte als andererGegner ungefügere Heftigkeit.

Bismarck setzte seine Reformen in der Hauptsache durch, wennihm auch namentlich das Tabakmonopol, das sein System vollendensollte, verweigert wurde. Auch hat diese wirtschaftliche Reform Bis-marcks ohne Zweifel segensreich gewirkt, und selbst die theoretischenAnschauungen über Freihandel und Schutzzoll, die Bismarck damalsvertrat, haben die Oberhand gewonnen. Diese Reform hat zugleichaber die Ära der Jnteressenkämpfe eingeleitet, die unser politischesLeben noch heute beherrschen. Die Bildung von Interessengruppenwar an sich unvermeidlich und schließt auch gewisse Fortschritte desparlamentarischen Lebens ein. Weit größere Teile des Volkesnehmen seitdem an der die Gesetze vorbereitenden Arbeit selbstän-digen Anteil, während noch die seit 1878 erlassenen Forstgesetzcin ihrer Wichtigkeit kaum verstanden wurden. Erst nachträglichmerkt das Volk, daß damit am Acker ausgebildete Eigentums-begriffe auf den Waldbesitz übertragen wurden, daß dem waldlosenManne der Genuß des freien Ergehens im Walde verkürzt ist unddaß die Walddörfer dadurch in erheblicher Weise bedrückt werden.Aber freilich haben nun die wirtschaftlichen Interessengruppenin unserm politischen Parteileben eine Rücksichtslosigkeit entwickelt,die mit der Leidenschaft der kirchlichen Interessen wetteifert, unddas ehemals von den allgemeinsten, das ganze Vaterland nnd seinWohl berücksichtigenden Ideen gehobene Leben des Parlaments auseine erheblich niedrigere Stufe herabgezogen.

Bei diesem Zwiespalt zwischen den Trägern der großen Ge-setzgebung, welche die Verfassung des Reiches begründete und