Druckschrift 
Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
Entstehung
Seite
24
Einzelbild herunterladen
 

fliehen angstlich die Gedanken, und rat- und fassungslos, wieuns das sterbliche Fühlen und Denken läßt, bleibt uns nureines übrig, uns gläubigen Herzens in den unerforschlichenRatschluß Gottes zu ergeben und über all das Grausige hinwegden Blick auf die lichtvolle Verklärung des Jenseits zu wenden,wohin jetzt unser geliebter Freund hinübergegangen ist. Nichtallein ist er gegangen, die Mutter war bei ihm! Wie ofthat Helfferich im vertrauten Kreise von dieser seiner innigst--geliebten Mutter erzählt! Wie bitter hat er es beklagt, daßihm der Zutritt zu ihr, zu seiner Heimat überhaupt, durch diefeindliche Besatzung der Pfalz verhindert sei, und wie besondersschmerzlich war es ihm, daß er in den vergangenen Monatennicht an das Krankenbett der Hochbetagten nach Neustadteilen konnte. Nun hatten sich Mutter und Sohn in liebendemZusammensein in Stresa wiedergefunden, sie hatte ihm dieHeimat mitgebracht sie hatten sich aber nur gefunden, um,wie sie im Leben einander stets am Herzen gehangen hatten,nun auch in gemeinsamer Todesnot aus diesem Leben zuscheiden. Wie unsagbar traurig und doch auch wie zu Herzengehend ist es, daß die letzten Lebensaugenblicke unseres Helfferichvon der angstvollen Sorge und von rührend kindlichemBemühen um seine alte Mutter ausgefüllt gewesen sein mögen!

Uns aber, die wir uns trauernd heute versammelt haben,drängt sich mit elementarer Gewalt das Bild des Lebensauf, das dem Tode unseres heißgeliebten Freundes voraus-gegangen ist. Ein Leben, so reich an Wollen und Können, soreich an Heldentum, so reich an Edlem und Großem, wie eswohl selten einem Menschenleben beschicken ist. O du meinunglückliches deutsches Vaterland, wie bist du doch arm anHelden und an Großen, wie bitter not sind dir die Führer, diedich aus deiner Einsamkeit und Zerrissenheit zu großen Zielenemporheben, dich einen und begeistern können! Nun hastdu in deiner Armut auch diesen noch verloren, der einer deinerallerbesten und hoffnungsreichsten Söhne war! Du sahst ihn

24