Fall einer Verurteilung Helfferichs wegen verleumderifcherBeleidigung im Sinne des gegen ihn geseilten Strafantragsfür die Fakultät in der einfachften Weife erledigt, weildann eine Habilitation felbftverftändlich nicht mehr in Fragegekommen wäre. Nur diefe Erwägung kann die Ver=fdileppung erklärlich und entfchuldbar erfcheinen laffen.Bei der Stimmung innerhalb des Lehrkörpers der Fakultätund bei dem Intereffe, das weitere Kreife außerhalb derUniversität und auch die liberale Preffe der Angelegenheitentgegen brachten, erfchien eine einfache AblehnungHelfferichs höchft unwahrfcheinlich. Ein Sturm würde vor=ausfichtlich in einem folchen Falle über die Fakultät unddie Pfeudo=Lehrfreiheit hereingebrochen fein. Auch warzu hoffen, daß fich die Größe des Lehrkörpers für Helfferichinfofern günftig erweifen würde, als dadurch allein fchoneine gewiffe Garantie gegen Parteilichkeit und Einfeitigkeitgegeben war.
Nach einer mir vor kurzem vom Dekan der philofo=phifchen Fakultät der Univerfität in Berlin zur Verfügunggeseilten Mitteilung über den Verlauf der Ängelegen=heit hat Wagner in der erften entfcheidenden Sitzung vom2. Februar 1899 ein fehr eingehend begründetes ungünfligesGutachten abgegeben. Er hatte zweierlei auszufegen. Einmalfei Helfferich zu fehr Spezialift, wenn auch ein kenntnis=reicher und fcharffinniger; die Fakultät verlange aber mehr.Zweitens vermiffe er eine „objektive Würdigung der Gegen=gründe". In allen Schriften von Helfferich finde fich, wieein anderer Fachgenoffe fidi ausgedrückt habe, „eine Be=handlung immer nur im Sinne des politifchen thema pro=bandum". Diefe Vorwürfe Wagners feien auch von andererfachwiffenfchafHicher Seite als begründet anerkannt worden.Man fei aber in der Fakultät der Anficht gewefen, daßdie Perfönlichkeit Helfferichs beffer fei, als feine Schriften,und glaubte, den Einwendungen dadurch begegnen zu können,daß Helfferich für die Probevorlefung ein Thema ganz all=gemeiner Art geftellt würde. Bei der nun folgenden Ab=ftimmung, die ausfchließlich auf Grund der Habilitations=
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