Einleitung.
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die Fortschritte der Menschheit begeisterte Publicumwendete sich mit Ueberdruß von dem dadurch herbei-geführten Wirrwarr ab. Noch können die Actennicht für geschlossen erklart werden. Noch ist derStreit zwischen Harlem, Mainz, Straßburg undVambcrg nicht völlig geschlichtet, und doch ist keineVeranlassung des Streites mehr vorhanden, wennalle vier Städte, edelmüthig genug sind, eine jededer andern ihren Antheil des Ruhms zu gönnen!
Betrachtet man die Wichtigkeit der Erfindung,so begreift man die Heftigkeit des Kampfes, mitder die verschiedenen Parteien, von den edlen Ge-fühlen der Vaterlandsliebe geleitet oder mißleitet,um die Palme des Vorzugs streiten. Es gilt aberauch die höchste dem menschlichen Geiste erreichbareEhre, cS gilt die Erfindung der Fürstin derKünste, welche in wenigen Jahrhunderten dieGestalt der Welt geändert, die Gedanken entfesselt,die Pforten der Forschung eröffnet, die Wissenschaftaus der düstern Klosterzelle auf den Markt derOcffentlichkeit hervorgehoben, jede großartige Idee,die früher als Eigenthum des Einzclmcnschcn mitdiesem unterging, oder nur in dem Kopse wenigerSchüler fortlebte, zum Gemeingut Aller gemacht,mit einem Worte: die Intelligenz des Geistes, diefrüher den höhern Standen und der Geistlichkeitausschließlich angehörend, nur wenigen AuSerwähl-ten erreichbar war, Plötzlich sichtbar auf den Herr-scherthrou der Menschheit gesetzt und überhaupteine Wiedergeburt des geistigen Daseins geschaffen,welche sowol die Denkweise, als die Sitten derVölker geändert, die entferntesten Nationen miteinander verbunden und durch den unglaublichschnellen Austausch der Ideen die ganze gebildeteWelt in eine so wunderbare und in ihren Folgenso unberechenbare Wechselwirkung versetzt hat, daßdie Welt in kurzer Zeit wie umgestaltet erschien,und in wenig Jahren da, wo noch der Nebel derVorurtheile, die Finsterniß des Wahns und desAberglaubens herrschte, mm auf einmal, wie durchZauberschlag entzündet, die Sonne der Erkenntnißzu leuchten begann.
Die hohe Stufe, welche die Buchdruckerkuust,als Schwester jener zwei alteren weltnmgcstaltendenErfindungen des Compasscs uud des SchicßpulverS,
und der neueren, unserer Zeit angehörenden Damps-anwcndung aus Schifffahrt uud Eisenbahnen, unterallen Erfinduugeu dcS menschlichen Geistes einnimmt,war Ursache, daß die Ehre, die GeburtSstatte der-selben zu seiu, eiuen nunmehr zwcihundcrtjährigennoch nicht beendigten Streit veranlaßte, dessen Sacheauf jeder Seite mir von dem örtlichen Standpunkteeiner kleinstädtischen Eitelkeit ausgehend mit jenerleidenschaftlichen Vorliebe geführt worden ist, dienicht nur den angeblichen Besitz für den Schützlingganz und ausschließend zu erkämpfen, sondern auchselbst den vereinbarlichsten Antheil dem Mitbewerberzu schmälern sich bestrebt.
Die Wahrheit, durch den blinden Eifer der käm-pfenden Parteien verletzt, zog sich immer mehr undmehr in die Falten ihres gchcinuiißvotlen Schleierszurück, bis es in unserer Zeit dem Scharfblickeeiniger besonnener, von jedem Vorurtheile befreiterForscher gelang, daS Bild der hohen Unbekanntenzu enthüllen, welche, wie fast überall und zu allenZeiten, auch hier in der Mitte der verschiedenenMeinungen thronet und beiden streitenden Natio-nen, den Holländern und den Deutschen, mit beidenHänden zugleich den Kranz des Verdienstes reicht.
Bevor wir die Verschiedenheit der Meinungenuud die vielen daraus entstandenen Streitschriften,in denen das Vorurtheil herrschte, jcue erhabeneKunst könne mir in dem Kopfe eines einzigen Men-schen entstanden sein, hier einer näheren Prüfungunterwerfen, sei es uns vergönnt, den Leser aufden Standpunkt zu führen, von wo aus er denverworrenen Kampfplatz ohne Vorliebe und ohneVorhaß ruhig überschauen und aus den Für - undGegengründen nach eigener Erwägung für sichselbst urtheilen und der Wahrheit uuverhüllt insAntlitz schauen kann.
Eine Hauptvcranlassnng der bei aller Forschungund allem redlichen Streben so sehr abweichendenMeinungen in dieser Angelegenheit war der Um-stand, daß man sich über den Begriff nicht einigte,was unter der „Erfindung der Buchdruckerkuust"zu verstehen sei.
DaS Wesentliche der Buchdrnckerkunst beruhetin der Vervielfältigung dnrch Abdruck; ihre beidenHaupttheile sind daS Verfertigen der Druckform nnd