Einleitung.
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setzen, mit welcher das tiefere Eindringen in dasWesen der Dinge, das Erforschen der Gründe inder Ueberzeugung und das Streben nach systemati-scher Einheit in der Erkenntniß beginnt. SchwachePrivatmänner im einsamen Studirzimmcr oder imbescheidenen Hörsaale zündeten die Leuchte an, derenStrahlen siegreich die Finsterniß durchdrängen.Die Edleren und Bessern, ob hoch oder gering, alsdurch ihre Natur schon dem Lichte verwandt undbefreundet, sammelten sich sofort um dasselbe undpflegten seiner als des kostbarsten Gutes. Aber dieWissenschaft, wiewol die Tochter des freien Geistes,ist ebenso wie die Kunst eine zarte Pflanze, die nurunter freundlicher Pflege gedeihet. Die Hnld libe-raler Fürsten ist die Sonne, an welcher das Sa-menkorn der geistigen Entwicklung zur Blüthe undFrucht gedeihet. Die Hauser Medici in Italien und Burguud in den Niederlanden bildeten daSDoppclgestirn, durch dessen belebende Strahlen sichder frei gewordene Geist entfaltete.
Cosmuö, der Bater deS Vaterlandes, derBegründer des unsterblichen Mediceerruhms, stif-tete am Arno eine Akademie für die platonischePhilosophie, gründete eine Gesellschaft sür Natur-kunde, legte Bibliotheken an und gewahrte dendurch die Osmanen ans ihrer Heimath vertriebenenGriechen Aufnahme, Schutz uud Freundschaft.
Durch die gelehrten Byzantiner Manuel Chry-soloras, Johannes Argyropulos , Demstrius Chal-kondylas, Johann und Konstantin LaSkariS , Theo-dorus von Gaza , Hermonymns n. A. wurde sowolim Umgang als Unterricht und hauptsächlich durchUebersetzuug classischer Schriften die Bekanntschaftmit der hellenischen Literatur im Abciwlaude be-gründet. Talentvolle Schüler Italiens und Deutsch-lands eiferten ihren griechischen Lehrern nach. Einerder gelehrtesten Jünger dieser Schule war Lorenzovon Medici, der würdige Zögling Johannes Argy-ropulos, welcher der Universität Pisa ein kräfti-geres Leben gab, durch Laskaris alte Klassiker inGriechenland nnd Asien sammeln ließ, die Uebcr-setznng Plato'S durch Marsiglio Ficino (Mui-«!!!»-;z?!,ciiui-i) veranlaßte, und sich so den ehrenvollen Bei-namen „ Vater der Musen " erwarb. Andere Für-sten Italiens eiferten den Mcdiceern nach. So die
Brüder Lioncl und Borso von Este in Ferrara,Philipp Maria Visconti uud Franz Sforza in Mai-land . — In Flandern nnd Brabant sammelten dieHerzöge Philipp der Gute nnd Karl der Kühne vonBnrgnnd die talentvollsten Männer Frankreichs undHollands an ihrem Hofe. Uebertragnngen römi-scher Schriftsteller in die französische Sprache ent-standen unter ihren Augen uud die Brüder Johaunund Hubert van Eyck öffneten der neuern Knust imAbendlande die Pforte. Um dieselbe Zeit wnrdevon Pctrarcha'S Freunde und Gönner, dem Lurem-burger Karl IV. , die weltberühmte Universität zuPrag nach dem Muster jener von Paris mit derEinthcilnng in vier Facultäten und in vier Natio-nen errichtet. Der letztere Umstand veranlaßte unterKarl's ausgeartetem Sohuc, König Wenzel, derdie böhmische Nation vor den drei andern begün-stigte, eine große Zerrüttung der Einheit in derLehre uud der Eintracht unter Lehrern und Schü-lern. Die Folge davon war eine allgemeine Aus-wanderung fast aller ausländischen Professoren uiwStudirenden. Diesen oder ähnlichen Umständenverdanken die ersten deutschen Universitäten, alsWien (1365), Heidelberg (1386), Cöln (1388),Ersurt (1392), Würzbnrg (1402) und besondersLeipzig (1409) ihre Entstehung.
Auch das Ausland ward von dem gewaltigenUmschwünge neuer Ideen und eines kräftigen See-lcnstrcbens mächtig ergriffen. Es entstanden imbenachbarten Frankreich Hochschulen zu Bordeaur,Angers, Eahors, Caeu, BonrgeS; Spanien sahin Hucsca, Valencia, Toledo und Alcala dc Henna-res Hochschulen erblühen; Portugal eröffnete einenSammelplatz sür Gelehrte zn Coimbra ; die schotti-schen Schulen zu St. Andrew, Glasgow und Aber-decn wetteiferten mit den englischen Emporien derWissenschaft zn Orford nnd Cambridge; Däne-marks Hauptstadt Kopenhagen und der uralte skan-dinavische KönigSsitz Upsala eröffneten der wißbegie-rigen Jngend deS Nordens die Hallen der Weisheit,gleichwie die Reiche Polen und Ungarn mit ihrenUniversitäten zn Ofen uud Kratau keineswegs hinterden übrigen Staaten Europa's zurückblieben.
Wenn das vierzehnte Jahrhundert auf dein Ge-mälde der geistigen Entwicklung deu im Morgenlichte
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