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Einleitung.
schimmernden Hintergrund bildet, so stellt sich imVordergründe das fünfzehnte Jahrhundert als dieUebergangSbrücke dar, welche das Mittclalter mitder neueren Zeit verbindet, und der stützende Pfeilerdieser Brücke ist die Buchdrucke rkunst. — Wasdie Zunge dem Gedanken, das ist die edle Kunstdem Worte.
Diese große Erfindung, durchweiche, wie Herderebenso wahr als kraftig sich ausdrückt, die Gesell-schaft aller denkenden Menschen in allen Wclttheileneine einzige und zwar sichtbare Kirche geworden ist,trat zu dem glücklichsten Zeitpunkte der jugendlichkräftigen, frcndig aufstrebenden GcisteSthätigkeit dereuropaischen Völker ins Leben, in einer Periode derGahruug uud Krisis, aus der sich die großen Be-gebenheiten des folgenden JahrhuudcrtS: der Un-tergang des Lehn- und Nitterwesens, das völligeWiederaufleben der altclassischen Literatur, der Auf-schluß Amerikas und Indiens entwickelten, geradezueiner Zeit, als es galt, die kostbarsten schon errun-genen Schatze in Sicherheit zu bringen und denGrnnd zn weiteren entscheidenden Fortschritten zulegen. Ware die Himmelspflanze früher aufgeblü-het, so würde die übermachtige geistliche und welt-liche Zwingherrschast sie durch vereinte Kraft er-drückt oder für sich unschädlich gemacht haben; Waresie spater cmporgcsprossen, so hatte in der verhäng-nisvollen Periode des Hauptkampfes zwischen Ge-wissenszwang und Glaubensfreiheit die juuge Blumejenes Lichtes ermangelt, welches alles organischenLebenö Bedingnist ist und mehr als alles Anderesein Wachsthum sichert. So aber war der Anfangdes vierzehnten Jahrhunderts die rechte Zeit. Ausdem in den letzten Zügen liegenden griechischenReiche flüchteten sich nach der Eroberung von Con-stantinopel durch die Osmauen 1453 die Ueberrestealter Gelehrsamkeit nach dein Abcndlande, die Liebefür die althellenischc Sprache erwachte durch geflüch-tete Griechen zuerst iu Italien , die Literatur, bishernur in der lateinischen Zunge gepflegt, ging in dieLandessprachen über, Theologie und Jurisprudenzkonnten ihre bisherige Alteinherrschaft nicht mehrbehaupten, der Geist streifte feine Fesseln ab uuderwachte zu lebendiger Natnranschauung. Der scho-lastische Autoritätsglaube des Mittelalters mußte
dem Selbstdcnkcn weichen. Dem Fleiße öffneten sichallenthalben nie zuvor geahuete Bahnen kritischerForschung. Die Sphäre der Wißbegier erweitertesich schrankenlos nach allen Richtungen des prakti-schen Lebens hin, eine völlig neue Welt ging demGenie ans, die schreibende Kunst war für den un-aufhaltsam anschwellenden Strom der Mittheilungein zu enges Bette geworden, die Buchdruckcrkunstbrach ihm die Bahn und er ward frei.
Bei den Alten konnte die Vervielfältigung derBücher nur durch Abschrift geschehen. Zu diesemGeschäfte Ware» die Sklaven oder Freigelassenenbestimmt, die jeder Antor dazu halten und ein-übeu mußte. Später-gab es wol auch schon bei vcnRömern Schreiberschulen nnd Verkäufer von Ab-schriften, welche auf ihre Rechuuug berühmte Werkeabschreiben ließen uud damit Handel trieben. DieSosier beim Horaz sind für dieses Gewerbebezeichnend geworden.
Im Mittelalter waren sast ausschließlich dieMönche, denen es zuweilen ihre Ordensregel, wiebei den Benedictinern, zur Pflicht machte, mit Ab-schreiben uud Malen der Bücher beschäftigt. Ineinigen Klöstern wurden sogar besondere Schreiber-schnlen errichtet, in welchen die jüngeren BrüderUnterricht in der Zubereitung des Pergaments, indem Schreiben, Jlluminircn, Einbinden n. s. w.erhielten. Oft wurde die Arbeit getheilt. Der Eineschrieb, der Andere malte und ein Dritter banddas Buch ein. Es gab sogar eigene Nubricatoren.Mehre Klöster wetteiferte», durch kalligraphischeKunstfertigkeit und Ausschmückung der Handschrif-ten durch Miniatnrgemälde den Preis sich streitigzu machen. DaS Wiederanfblühen der Malerei inItalien und den Niederlanden hatte anch die Büchcr-malerei vervollkommnet. Von hier aus verbreitetesich dieser Kuustzweig nach und nach über Frank-reich, die Schweiz, das westliche Deutschland bisnach Britanien. Endlich blieb diese Thätigkeit aufden eigeuen Klosterbedarf nicht mehr beschränkt.Universitäten uud andere Lehranstalten wurden er-richtet. Auch Laien lernten Latein. Fürsten fingen an,es sich zur Ehre zu schätzen, wenn sie durch Anlegungvon Büchersanimlungen mit den Klöstern, Abteienund Kathedralen in die Schranken treten konnten.