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Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung : Ein Denkmal zur vierten Säcular-Feier der Erfindung der Typographie ; Mit einer reichen Sammlung in Holz und Metall geschnittener Facsimiles der seltensten Holztafeldrucke, Nachbildungen von Typen alter berühmter Officinen und Proben von Kunstdrucken nach den neuesten Erfindungen unserer Zeit / von Dr. Karl Falkenstein, Königl. Sächs. Hofrathe und Oberbibliothekar, ...
Entstehung
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Einleitung.

gegenwärtig sein können u. s. w." hat sogar einenForscher, wie Karl Ottsried Müller (Handbuch derArchäologie der Kunst, Breslau 1830. 8. S. 396.Note 8.) zu der Vermuthung verleitet, sie könneauf den Holzdruck oder einen ahnlichen KunstzweigBezug haben.

Jede Erfindung ist die Tochter ihrer Zeit, dar-um muß auch jede im Zusammenhange mit demGeiste der Zeit und mit dem eigenthümlichen Ge-präge des Volkslebens jener Nation, aus welchersie hervorgegangen und deren Höhenmesser derCnltur sie abgiebt, betrachtet werden. Das Al-terthum hatte bei dem Vorherrschen des öffentlichenLebens vor dem Stubenleben (denn fast Alles ver-handelte sich auf dem Forum, unter den Vorhallender Tempel und StaatSgcbäudc, oder auf offenerStrafte) in einer Zeit, wo mehr gehandelt alsgeschrieben wurde und der nothwendige Verkehrmehr dnrch das lebendige Wort, als durch dentodten Buchstaben betrieben wurde, bei der Eigen-thümlichkeit seines religiösen Cultus, bei der Ab-geschiedenheit seiner Staude uud endlich bei derOcffentlichteit der StaatSvcrfassung kein so großesBedürfniß allseitiger Mittheilung, abgesehen da-von, daß das ägyptische, aus dem in den Nilsüm-pfen wildwachsenden e^perus xax^rns verfertigtePapier (??r^yos) kein so geeignetes, Wohlseilesund so allgemein verbreitetes Material wie unserseit dem vierzehnten Jahrhunderte bekanntes Leincn-papier darbot.

11m die anscheinend am nächsten liegende Er-findung ins Leben zu rufen, oder wenigstens denin manchem vorhandenen Gebrauche schlummerndenKeim zu weckeu, ist eiu Bedürfnis?, ein Hindrängender Zeitumstände auf dieselbe nöthig, welches demForschergeiste nachdenkender Männer gerade dieseRichtung giebt. Auf dieses Zusammentreffen ge-wisser dnrch die Zeit bedingter Verhältnisse kommtbeim Entdecken und Erfinden mehr an, als anf dasNahe- und Fernliegen der Hilfsmittel, welche dermenschliche Scharfsinn, hat erst einmal der Fnnkegezündet, dann bald zu ergreifen und zu seinenZwecken zu gebrauchen versteht.

Ein solches Bedürfniß war nie dringender vor-handen, als zu der Zeit, in welcher die Erfindung

der Buchdruckcrkunst gemacht worden ist. Manbezeichnet gewöhnlich das vierzehnte Jahrhun-dert, das Zeitalter eines Dante, Boccaccio , Pe-trarca, eines Wiclef als die Epoche des Wieder-erwachens der Wissenschaften, weil in jener Pe-riode die classischen Werke des Alterthums aus demStaube der Klöster hervorgezogen und Gegenstandder Forschung uud Bewunderung geworden sind,als eine Wiedergeburt der Künste nach einemschmachvollen Scheintode, den die Barbarei wilderHorden über die unvergleichlich schönen Denkmälervon Griechenland und Rom herbeigeführt. DerMangel an freiem Austausche der Ideen, an einerzusammenhängenden uud verglichenen Erfahrungdes Menschengeschlechts hatte bis dahin Europa miteinem düsteren Schleier umnachtct. Der Klerus,welcher aus Wissenschaft und Kunst damals einMonopol zu machen wußte, verwendete seine ge-ringen Kenntnisse nur aus Homilicn, Postillen,Chorgcsänge und Zcitbücher, dnrch deren unkritischeEinrichtung eine pragmatische Geschichte des Mit-telaltcrs zur Unmöglichkeit gemacht worden ist.

Eiu mönchischer Geist umhüllte Philosophie undMoral. Aller Geschmack war aus den Klosterschu-len verbannt. Gelehrte Gefechte voll der elendestenSpitzfindigkeiten, ausgerüstet mit falsch verstande-nem aristotelischen Witze, hielt man für die höchsteAufgabe der Weisheit. Man stellte alles ErnstesUntersuchungen an über die Zahl der Engel undErzengel, über deren Herrschaft und Throne, überdas Wesen der Seraphe und himmlischen Geister,über Satans Vollkommenheiten vor seinem Falle,über dessen Streit mit dem Erzengel Michael , jaselbst über die Frage: Wer von unsern Vorelternam meisten gesündigt habe, Adam oder Eva? Der^ berühmte Dominicaner Albert ans dem Geschlechteder schwäbischen Grafen von Bollstadt (1205-1280)bekam wegen seiner Stärke in dergleichen Snbtilita-ten den Beinamender Große" (Albertus IVI-ixn»»).

Der mit Wiclef erwachte, dnrch Huß fortge-pflanzte, durch Luther in der Oeffentlichkeit ver-tretene und von seineu Fesseln entbundene freierekirchliche Geist war der entschiedene Gegner derScholastik. Von der Zeit der ersten Anfänge derBuchdruckerkunst ab ist die philosophische Periode zu