Teil eines Werkes 
1 (1900) Begriff : psychologische und sittliche Grundlage ; Literatur und Methode ; Land, Leute und Technik ; die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft
Entstehung
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Ter Begriff des Wirtschaften».

Teil der wirtschaftlichen Thätigkeit der Kulturvölker. Erst wo das wirtschaftliche Lebendiese Formen angenommen hatte, entstand für gewisse Gruppen der Gesellschaft ein sogroßer Wohlstand, daß der Gegensatz von Reichen und Armen stärker empfunden wurde,bildete sich auch erst in ausgeprägterer Weise die Unterscheidung reicher und armer Stämmeund Völker.

Im Bereich dieser rechnenden und auf Gewinn spekulierenden Unternehmungenentstand zuerst die Verstandes- und zahlenmäßige Erfassung aller Vorgänge des Wirt»schaftslebens, das Buchen und Rechnen mit Wertgrößen und in Geldpreisen, die Ver-gleichung von Einnahme und Ausgabe, von Aufwand und Erfolg, die Berechnungdes Rohertrages der für eine Produktion aufgewendeten Kosten und des nach Abzugder Produktionskosten erzielten Reinertrages. Und alle unter die Kontrolle solcher Über-legungen und Rechnungen gestellte menschliche Thätigkeit wird nun als specifisch Wirt-schaftlich bezeichnet; die Tugend der Wirtschaftlichkeit ist die planvoll berechnende, klugden höchsten Erfolg mit den kleinsten Mitteln erreichende menschliche Thätigkeit, ob sienun direkt auf Wirtschafts- oder andere Zwecke gehe. Und jede andere nicht wirt-schaftliche Thätigkeit, die im System der Arbeitsteilung ein Entgelt fordert, wie diedes Lehrers, Richters, Künstlers, erhält durch diese Entgeltung, durch die Absicht, mitihr sich einen Lebensunterhalt zu schaffen, eine wirtschaftliche Seite.

So hat das WortWirtschaften" neben seiner ursprünglich konkreten Bedeutungnoch eine Reihe von verwandten Nebenvorstellungen in sich aufgenommen; aber derKern des Begriffs ist derselbe geblieben. Er umfaßt nicht allesArbeiten", denn esgiebt ein Arbeiten für höhere, nicht wirtschaftliche Zwecke; nicht alle Thätigkeit füräußere Bedürfnisbefriedigung, denn dazu gehört auch das Turnen, das Spazierengehen,die Gesundheitspflege. Die Verflechtung der Thätigkeit in einen entgeltlichen Austauschist nur einem freilich wachsenden Teil der wirtschaftlichen Thätigkeit bei höherer Kultureigen. Was das Individuum für sich, für seine Familie, für Gemeinde und Staatwirtschaftlich schafft, ohne direkt bezahlt zu werden, gehört dem Kreise nicht minder an,als was für den Markt produziert wird. Die wirtschaftliche Produktion von Gütern,Vorräten, Waren ist das Hauptgebiet der Wirtschaftsthätigkeit; aber auch die Leistungenvon wirtschaftlichen Diensten, die Handelsthätigkeit gehören dazu.

Die wirtschaftliche Produktion besteht stets in einem aktiven Eingreifen desMenschen in den großen, nie ruhenden Naturprozeß; er soll so gestaltet werden, daßdie Kräfte der Natur dem Menschen am wenigsten schaden, ihm am meisten nützen.Die in unbegrenzter Menge von der Natur dem Menschen so gebotenen Güter, daß ersie ohne weiteres genießen und nützen kann, nennen wir freie, die in begrenzter Mengevorkommenden und daher in das Eigentum von einzelnen oder Korporationen gekommc-neu, vom Menschen umgeformten nennen wir wirtschaftliche Güter oder Güterschlechtweg. Die möglichst reiche Versorgung mit Gütern ist der Hauptzweck des wirt-schaftlichen Schaffens. Je reichlicher diese Versorgung wird, desto gesicherter ist unsereExistenz, desto mehr können Vorräte für die Zukunft zurückgelegt werden, desto mehrkann statt der direkten Gütererzeugung die indirekte, technisch und gesellschaftlich kom-plizierte angestrebt werden. Das geschieht durch Schaffung komplizierterer technischerVorrichtungen, wie z. B. durch Bau einer Wasserleitung statt des Schöpfens an derQuelle; jeder richtige Fortschritt nach dieser Seite fetzt voraus, daß wir, mit wirtschaft-lichen Vorräten versehen, auf den augenblicklichen Erfolg verzichten können, um einengrößeren künftigen Erfolg, eine Mehrerzeugung oder Kräfteersparung in der Zukunft zuerreichen.

3. Der Begriff der Wirtschaften als gesellschaftlicher Organeund der Volkswirtschaft. All' das geschieht nun in der Form von einzelnenWirtschaften". Mißve rstehen unt er einerWirtschaft" einen kleineren oder größerenKreis zusammengehöriger Personen, welche durch irgend welche psychische, sittliche undrechtliche Bande verbunden, mit und teilweise auch für einander oder andere wirt-Maften. Auch die einzelne Person kann unter Umständen eine Wirtschaft für sich führenoder bilden; meist aber ist sie ein Glied innerhalb einer oder mehrerer größerer Wirt-

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