Teil eines Werkes 
1 (1900) Begriff : psychologische und sittliche Grundlage ; Literatur und Methode ; Land, Leute und Technik ; die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft
Entstehung
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4 Einleitung. Begriff. Psychologische nnd sittliche Grundlage. Litteratur und Methode.

fchasten, wenigstens einer Familienwirtschaft. Jede Wirtschaft hat einen zeitweiligenoder dauernden Standort, verfügt über wirtschaftliche Mittel, über Güter und Kapi-talien, über die Arbeit ihrer Mitglieder, hat den Zweck, alle oder bestimmte wirtschaft-liche Zwecke ihrer Mitglieder zu befriedigen; sie hat eine bestimmte innere Organisation,sie grenzt sich nach außen gegen andere Wirtschaften, deren Standort, Personal undwirtschaftliche Güter ab. Sie ist stets ein Stück technisch-zweckmäßiger Naturgestaltungund sittlich-rechtlicher socialer Ordnung. Alle Wirtschaftsorganisation knüpft sich zunächstan die socialen Organe an, welche das Gesellschastsleben überhaupt für alle menschlichenZwecke bildet: Familie, Sippe, Gemeinde, Stamm, Staat sind daher auch die wesent-lichen Wirtschaftskörper der älteren Zeit; wo und wie überhaupt Herrschafts- undI^envssenschnftsverbände sich bilden, da fungieren sie auch mehr oder weniger sür diewirtschaftlichen Zwecke.

Bei primitivster wirtschaftlicher Kultur, die noch kaum zur Sippen- oder Stammes-bildung geführt, sind die erwachsenen Männer und Frauen fast nur für sich und ihreunerwachsenen Kinder wirtschaftlich thätig. Wo etwas höhere wirtschaftliche und politischeKultur Platz gegriffen hat, da greift die Haus- und Familienwirtschast und die Stammes-und Gemeindewirtschaft ineinander. Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Thätigkeitliegt zunächst in Haus und Familie, in der auf gemeinsamen Gefühlen und Einrichtungenberuhenden Eigenproduktion für die Familie; der Tauschverkehr fehlt oder ist ganz un-erheblich. Nur für gewisse Zwecke des Viehtriebs, der Siedlung, Acker-, Wald- undWeidenutzung greift die Gemeinde- und Stammeswirtschaft Platz. Die begabteren Rassenund Stämme bringen es freilich frühe zu wichtigen, ihr Wirtschaftsleben beherrschendenEinrichtungen der Ackerverteilnng und der Kriegs- und Dienstverfassung, zu großengemeinsamen Schutzbauten und Vorratssammlungen. Man hat geschwankt, ob man dieHaus- oder die Stammes- und Dorfwirtschaft als das wesentliche Merkmaldieser Epoche des Wirtschaftslebens hervorheben soll-

Indem die einzelnen Haus- und Familienwirtschaften sich differenzieren, einzelnezu größeren Herrschastsverbänden werden, indem ein gewisser Tauschverkehr sich ausbildet,die socialen Körper größer und fester organisiert werden, in ihrem Mittelpunkt größereOrte und Märkte sich bilden, entstehen wirtschaftliche Zustände, welche sich dadurchcharakterisieren, daß wohl noch die Mehrzahl der Familien das meiste selbst produziert,also auf dem Boden der Eigenwirtschaft stehen bleibt, aber daneben doch in steigendemUmfang am Tauschverkehr teilnimmt. Dieser beschränkt sich freilich zunächst haupt-sächlich auf den städtischen Markt, wo die Landleutc ihre Rohprodukte, die Handwerker ihreGewerbsprodukte ohne Handelsvermittelung verkaufen. Die antiken kleinen Stadtstaaten,die meisten mittelalterlichen Stadtgebiete und Kleinstaaten sind Gebilde dieser Art. Daeine beherrschende Stadt meist den Mittelpunkt bildet, ihr Markt und dessen Einrichtungendas Charakteristische für solche Zustände sind, so hat man sie neuerdings durch denBegriff der Stadtwirtschaft bezeichnet.

Wo größere sociale Körper sich bilden mit einer Reihe von Städten und Land-schaften, wo mit zunehmendem Tausch- und Geldverkehr von der Familienwirtschaft sichbesondere Unternehmungen, d. h. lokal und organisatorisch sür sich bestehende Wirt-schaften mit dem ausschließlichen Zwecke des Handels und der Güterproduktion loslösen,der^Narktverkehr und der Handel immer mehr alle Einzelwirtschaften beeinflussen undabhäiigicg Von sich machen, wo zugleich die Staatsgewalt durch Münzwesen und Straßen-bau^ durch Agrar- und Gewcrbegesetze, durch^Verkehrs- und Handelspolitik, durch einGeldsteuersystem und die Hcercsverfassung alle Wirtschaften der Familien, GemeindenMd^Kvrporationen von sich abhängig macht, da entsteht mit dem modernen Staats-wesen das, was wir heute die Volkswirtschaft nennen. Sie beruht ebenso aufder Verflechtung aller Einzelwirtschaften in einen unlöslichen Zusammenhang durch denfreien Tausch- und Handelsverkehr, als auf den wachsenden einheitlichen Wirtschafts-einrichtungen von Gemeinde, Provinz und Staat. Der Begriff der Volkswirtschaft willeben das Ganze der nebeneinander und übereinander sich aufbauenden Wirtschaften einesLandes, eines Volkes, eines Staates umfassen. Die Gesamtheit alles wirtschaftlichen