Teil eines Werkes 
1 (1900) Begriff : psychologische und sittliche Grundlage ; Literatur und Methode ; Land, Leute und Technik ; die gesellschaftliche Verfassung der Volkswirtschaft
Entstehung
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Der Geschlechtszusammcnhang. Dic Kriegs- und Fricdensgemcinschaft,

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unzweifelhaft die, daß die Menschen aller Rassen, aller Zeiten, aller Erdteile, sofern sienur etwas über den rohesten Zustand sich erhoben hatten, stets in Gruppen vereinigtgesunden wurden. Die kleineren Gruppen, die Horden oder Stämmchen, bestehen auseiner Anzahl blutsverwandter Individuen verschiedenen Alters und Geschlechts; diegrößeren, die Stämme und Völker, aus einer Summe zusammenhaltender Untergruppen,d. h. Familien und Sippen, Gemeinden, Gilden oder sonstwie Vereinten. Die kleinerenälteren wie die größeren späteren Gemeinschaften stehen sich teils feindlich, teils freundlichgegenüber; stets aber sind die Mitglieder der Gruppen unter sich enger verbunden alsmit den Gliedern anderer, häusig ihnen feindlicher Gruppen. Nirgends hat man inhistorischer Zeit anders als ausnahmsweise ganz isoliert lebende Menschen getroffen,die nachweislich plötzlich angefangen hätten, sich zusammen zu thun, ein Gemein-wesen zu gründen. Der Mensch gehörte stets zu den Herdentieren. Aber er ist kein^cüo-' ?ioX«r»-öi' in dem Sinne, daß ein unterschiedsloser Gcselligkeitstrieb ihn veranlaßte,Anschluß an jedes andere menschliche Wesen zu suchen; er thut dies stets nur in derWeise, daß der Anschluß an die einen Absonderung von den anderen bedeutet.

Was sind nun aber die äußeren, jedem sichtbaren Zwecke, wegen deren der Zusammen-schluß sich vollzieht; erst wenn wir aus sie einen Blick geworfen, werden wir uns überdie Mittel verständigen können, durch welche aller Anschluß, alle Verständigung erfolgt.Hauptsächlich drei Zwecke treten uns da als die wichtigsten entgegen, deren Verfolgungdie Menschen stets zur Gemeinschaft und Gruppenbildung veranlaßt hat, welche starkeGemeingefühle in Zusammenhang mit den betreffenden Interessen und Vorstellungenbei den Teilnehmenden erzeugen.

Die Geschlechtsverbindung und der Blutszusammenhang ist dasstärkste und älteste Princip gesellschaftlicher Gruppierung. Lange Zeiträume hindurchhaben nur die Blutsverwandten und ihre Nachkommen Stämmchen und Stämme gebildet.Die einheitliche Abstammung und das Zusammenaufwachsen ergab ähnliche Eigen-schasten und starke sympathische Gefühle; nur wer desselben Blutes war oder künstlichals solcher durch äußerliche Vlutmischung fingiert wurde, war Genosse, jeder andere warFeind. Wenn im Stamme Untergruppen sich bildeten, so waren sie selbst wieder durchdie Abstammung bestimnit, wie die Stellung jedes einzelnen in Untergruppe undStamm; das Verhältnis zu anderen Stämmen hing wesentlich von der Vorstellungab, ob man sich für verwandt hielt. Auch nachdem längst andere Bande der Gemeinsam-keit hinzugekommen und die Vorstellungen über den Blutszusammenhang gelockert, teil-weise ersetzt hatten, blieb das Gefühl gemeinsamer Abstammung sür die Mehrzahl derMenschen der stärkste Kitt, der die Gruppen, Stämme, Nationen, Völker und Rassenzusammenhält, blieben die immer neu sich knüpfenden Verwandtschaftsbande in denengeren Kreisen der Gesellschaft die stärkste Quelle für sympathische Gefühle und diewichtigste Veranlassung zu gemeinsamer auch wirtschaftlicher Thätigkeit, zu Verträglich-keit, zu Aufopferung, zur Entstehung aller möglichen Tugenden. Wir kommen auf dieseDinge unten in dem Abschnitt über Familie und Geschlechtsverfassung zurück.

Die Friedens- und Kriegsgemeinschaft erwächst naturgemäß aus demBlutszusammenhang. Die Stämme und Völker sind nach innen durch die starkenfympathifchen Gefühle und tägliches Zusammensein aus den Frieden, nach außen aufdie gemeinsame Abwehr aller Gefahren und aller Feinde angewiesen; nur unter derDoppelbedingung des Friedens nach innen, des gemeinsamen Kampfes nach außen könnensie sich erhalten, können sie sich fortpflanzen und können sie wachsen. Zugleich ist klar,daß die Veranstaltungen hiefür eine Menge neuer Vorstellungen und Interessen wecken,und daß hieran einerseits stärkere Gesühle und Triebe des Hasses, der Kampflust gegen-über Außenstehenden sich knüpfen, und daß andererseits damit der innere Zusammenhaltwächst; nichts stärkt die Gemeingefühle mehr als gemeinsame Kämpfe und die Erinne-rung daran; nichts dämpst innerhalb des Stammes die Ausbrüche der rohen Leidenschaftmehr als die Friedensveranstaltungen. Mögen sie noch so langsam erwachsen; schondie geordnete Blutrache, dann das Kompositionenshstem sind tiefgreifende Versuche derStreiteinengung, zuletzt siegt das Verbot jeder Selbsthülfe und die Ersetzung jeder