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weser aus der Mitte der Bürgerschaft an. Aber da die fürstlicheCasse im Hintergründe nach wie vor offen blieb, trockneten diefreiwilligen Gaben bald wieder ziemlich ein. Auch auf demLande ward angefangen, die Armenversorgung auf der Grundlagedes öffentlichen Mitleids zu organisiren. Dieses gab nur leideraus den selten recht gefüllten Taschen der Bauern noch weitweniger her; und als ein dazu aufmunternder Regierungserlasserst einmal versprochen hatte, wo der Armen zu viel seien, dawolle Seine Durchlaucht «so gnädig sein die Versorgung dieserübrigen Armen Höchstselbst auf sich zu nehmen», war kein Haltenmehr, denn nach einer amtlichen Denkschrift aus jener Zeit suchtennun «fast alle Dörfer ihre Armen auf Rechnung Seiner Hoch-fürstlichen Durchlaucht zu versorgen». Von 1780 bis 1788 soll•etwa die Hälfte aller Dorfarmen auf Kosten des Fürsten erhaltenworden sein. Aber erst im Jahre 1830 brach man mit einemSystem von freiwilligen Beiträgen, hinter welchem als bequeme,unerschöpfliche Zuflucht die Kammer- oder Staats-Casse stand.Man schlug 2 Pfennig auf jedes Pfund Salz und stattete damitdie Armencassen der Gemeinden aus. Sollte dies neben derFortdauer festen landesherrlichen Zuschusses und freiwilliger Bei-träge immer noch nicht reichen, so durfte auch eine directe Ge-meindesteuer nach dem Fufse der vormaligen Kriegs- und Con-tingents- Steuer erhoben werden. Dieser Abwälzung des dickenEndes der Last auf die Communen entsprach eine gewissefortan zugestandene Betheiligung derselben an dem Rechte derVerfügung über die Armenmittel. Vollendet wurde dieser Ueber-gang für die Stadt Dessau im Jahre 1835, für die Landgemeindendurch die Gemeindeordnung von 1849: seitdem ist dort ebenfallsdie Armenpflege eine Aufgabe der Communen unter Aufsicht desStaats. Selbst in einem so kleinen Gemeinwesen hat sich diehergebrachte Staatsarmenpflege, alles offenbaren Sträubens ihresHauptträgers unerachtet, nicht über die Mitte unseres Jahrhundertshinaus aufrechterhalten lassen.
Der nackte Gedanke der Staatsarmenpflege findet sich auchin Preufsens Allgemeinem Landrecht zuversichtlich genug aus-gedrückt. Es erkennt als Pflicht des Staates an, für die Ernäh-rung und Verpflegung derjenigen Bürger zu sorgen, die ihrenUnterhalt weder sich selbst verschaffen noch von anderen dazuverpflichteten Privatpersonen erlangen können. Der Staat ist auch