dem Landrecht zufolge nicht bloss berechtigt, sondern verpflichtet«Anstalten zu treffen, wodurch der Nahrlosigkeit seiner Bürgervorgebeugt werde». Diese Sätze athmen in Absicht und Formden Geist eines Zeitalters, in welchem unbegrenztes Vertrauenauf die Macht einer wohlausgebildeten Staatsgewalt zusammentrafmit reger Menschenliebe. Nur ganz beiläufig wird da hinzu-gefügt, dafs «auch die Stadt- und Dorf-Gemeinden für die Er-nährung ihrer verarmten Mitglieder und Einwohner sorgen müssen».Ein weiterer Paragraph wiederholt noch specieller den Sinn deserstangeführten: «Aller Armen und Unvermögenden, denen ihrUnterhalt auf andere Art nicht verschafft werden kann, mufs diePolizei-Obrigkeit eines jeden Orts ohne Unterschied des Rangesund sonstigen Gerichtsstandes derselben sich annehmen».
Aber dieser Gedanke nahm in seiner zunächstliegenden prak-,tischen Folge niemals Fleisch an. «Wie wenig daran gedachtwurde», sagt Ernst Bruch in dem Sammelwerk von Emminghausüber das europäische Armenwesen und Armenrecht, «geht ausder Plandhabung des Armenwesens selbst hervor, woraus zukeiner Zeit auf eine directe materielle Betheiligung des Staatsgefolgert werden kann». Pleute würde man deswegen die Ideedes Landrechts anders formuliren, weil mittlerweile die Gemeindenzu selbständigem Leben herangewachsen sind und hinter ihremVater Staat nicht mehr gänzlich verschwinden. Oder vielleichtwürde man es gar nicht mehr besonders verkündigen, dafs dieVersorgung der öffentlichen Armutli zu den Gegenständen derStaatsgesetzgebung gehöre. Im Grundsatz erscheint dies für alleAuffassungsweisen selbstverständlich. Soweit, die Armenpflegeausschliefslich für die Kirche in Anspruch zu nehmen, ist selbstunter den kirchlich gefärbten politischen Parteien bisher nochkeine gegangen; und ebensowenig ist etwa ein freihändlerischerVolkswirth bekannt, der von einem öffentlichen Armenrecht garnichts hören wollte.
Das Gesetzgebungsrecht und die Oberaufsicht des Staatesdürfen also als allgemein anerkannt betrachtet werden. Er kanndas eine wie die andere nicht an «die Kirche» zurückgeben, denndie Kirche», der einst alle öffentliche Armenpflege anheimfiel,besteht nicht mehr, es gibt nur noch eine Mehrzahl von Kirchengrofs und klein neben einander, deren Angehörige sich so buntmischen, dafs einfach deswegen von einer Ueberlassung eines