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Theils der öffentlichen Zwangsgewalt an sie oder ari eine odermehrere derselben keine Rede mehr sein kann, will man Ordnungund inneren Frieden aufrechterhalten. Der Staat kann aber auchnicht ganz auf eine gewisse Leitung der Armenpflege verzichten,so lange der Culturgrad seiner Bewohner so verschieden und dieAusdehnung dieses socialen Sumpfes noch so gefahrdrohend grofsist. Höchstens in einzelnen glücklich entwickelten bedeutenderenStädten würde er sich ohne Bedenken völlig zurückziehen können;und das lassen wiederum allgemeine Reichs-Gesichtspuncte nicht zu.
Auf die Rolle des Gesetzgebers und Oberaufsehers hat sichauch in Preufsen, was immer aus den Vorschriften des Land-rechts herausgelesen werden mag, der Staat beschränkt. Den imLandrecht nur nebenbei genannten Stadt- und Land-Gemeindenist die ganze Wucht der Aufgabe anheimgefallen; und was imUnterschiede von ihnen seitdem der Staat geleistet hat, bezogsich wesentlich immer nur auf eine gerechte und vernünftige Ver-theilung der Last unter sie. Er will dafür sorgen, dafs jederNoth im Lande abgeholfen werde. Aber nicht unmittelbar ausseiner eigenen Tasche, sondern dadurch dafs er die Gemeinde-cassen anhält, sich gehörig aufzuthun. Seine Macht über sie mufsihm die Mittel gewähren, dem im allgemeinen anerkannten An-spruch der Bedürftigen auf fremde Unterstützung in den Fällen,wo weder ein Erhaltungsverpflichteter vorhanden ist noch frei-williges Mitgefühl sich regt, die nothwendige Erfüllung zu sichern.
Richtige Vertheilung dieser öffentlichen Last unter die Ge-meinden war der Inhalt des Gesetzes vom 31. December 1842,das zuerst für ganz Preufsen die Armenpflege regelte. Es stelltefest, an welche Gemeinde — als Orts-Armenverband zur gegen-seitigen Unterstützung in Nothfällen — ein Verarmter seinen An-trag zu richten habe; und es schuf Landarmen verbände zur Er-leichterung der Last für die Gemeinden überhaupt, sowie be-sonders für die minder tragfähigen unter ihnen. Das Gesetzvom 6. Juni 1870, welches zuerst für den Norddeutschen-Bund erlassen, dann auf das Reich erstreckt wurde, dehnte die Grund-sätze des preufsischen Armenrechts insoweit auf das übrigeDeutschland ohne Bayern aus. Es schuf in dem Bundesamt fürdas Heimatwesen eine richterliche Behörde zu dem Zwecke, Streitunter verschiedenen Armenverbänden über die Unterstützung einesVerarmten zu schlichten. Auf die Art der Tflege liefs es sich nicht