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Staats-Armenpflege / von A. Lammers
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ein; noch weniger gewährte es dafür Mittel von Reichswegen, wederin der Form von irgendwelchen unmittelbaren Zuschüssen, nochin derjenigen der Vollmacht zur Erhebung bestimmter Steuern.Das alles blieb der Landesgesetzgebung überlassen. Aber auchdiese wich kaum aus den Schranken, welche sie sich seit derEntstehung des alten Deutschen Bundes thatsächlich gezogenhatte. Das preufsische Ausführungsgesetz vom 8. März 1871 zudem sogenannten Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitzwendet dieses in der That nur ausführend auf die Verhältnissedes kurz vorher erweiterten preufsischen Staates an; nur dafs ing 1 als das was jedem hilfsbedürftigen Deutschen von dem zuseiner Unterstützung verpflichteten Armenverbande zu leisten, be-stimmt angegeben wird: «Obdach, der unentbehrliche Lebens-unterhalt, die erforderliche Pflege in Krankheitsfällen und im Falleseines Ablebens ein angemessenes Begräbnis». Eintreten abersoll nach wie vor der Regel nach als Ortsarmenverband die Ge-meinde oder eine dazu speciell verbundene Mehrzahl von Ge-meinden, und in gewissen Ausnahmefällen der meist mit derProvinz zusammenfallende Landarmenverband. Von Staats-Bei-trägen ist keine Rede.

Die gesetzgeberische Behandlung des Armenwesens versprichtauch in nächster Zukunft noch innerhalb dieser Furche verlaufenzu wollen, wenigstens soweit sie von Regungen im Volke selbstihren Anstofs empfängt. Das Reichsgesetz über den Unterstützungs-wohnsitz unterliegt, wie alle leidlich freisinnigen Institutionen ausder Gründungs-Epoche des Reichs, reactionären Zweifeln undAntastungen. Nur sind dabei die Angreifer unter sich selbst ge-theilt; denn während die Einen sich glücklich preisen, dafs inBayern das alte Heimatsrecht mit der lebenslänglichen Fesselungaller Nothleidenden an ihren Geburts- oder Bürgerrechts - Ort nochbewahrt sei, um Preufsen und das übrige Deutschland von derTyrannei des Unterstützungswohnsitzes ähnlich zu befreien, wieeinst vom äufsersten Nordosten her die französische Fremdherr-schaft aus dem Lande gedrängt ward, möchten viele preufsischeGutsbesitzer lieber das Armenrecht am Aufenthaltsorte noch rascherenvorben wissen, in einem Jahre statt in zwei, um sich ihrerArmen nach den Städten hin desto leichter und geschwinder ent-ledigen zu können. Beide Tendenzen aber haben es doch wiedernur mit der besten Art der Vertheilung der Last unter die Ge-

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