,26 Geschichte der christlichen Religion.
die Liebe gegen unsere eigene Gedanken! Wer ken-net die Gewalt des Beyspiels nicht? Oft irret derRedlichste, blos seiner eingeschränkten Einsichten we-gen, dem Irrthume des größten Haufens nach. Oftverkleidet sich der Irrthum so künstlich, und kömmtder Wahrheit so nahe, daß Man sich vielleicht bere-det, daß man die Wahrheit ehre, wenn man schondem Irrthume räuchert. Und was haben nicht diedeutlichsten Wahrheiten von unsern mannigfaltigenLeidenschaften zu befürchten? Was für einen Einflußhaben nicht Eigensini,, Ehrsucht und Eigennutzzu allen Zeiten in die Religion gehabt? Solltenun die christliche Religion gar keine nachtheiligenVeränderungen erfahren haben: so müßten zum we-nigsten alle ihre Lehrer niemals weder in der Gefahrzu irren, noch in der Gefahr zu sündigen, gewesenseyn. Also verlangte man von Gott, daß er widerunsere Freyheit ohne Aufhören Wunder thun sollte.Wenn er sie hätte thun wollen; warum hatte er unseine schriftliche Offenbarung gegeben ? Konnten dieLehrer der Religion niemals irren: so war das gött-liche Wort, wo nicht ganz unnöthig, doch gewißentbehrlich und überftüßig.
Doch die Geschichte wird uns überzeugen, daßeS in der Christenheit keine Gemeine gebe, welcheganz aus aller Gefahr sey, in den Wahrheiten derReligion zu irren. Nur allein die OffenbarungGottes hat dieses Vorrecht. Alle christlichen Jahr-hunderte werden uns davon überführen. Oft ist dieWahrheit blos mit ungewissen Meynungen, die nurmenschlich waren, oft mit gefährlichen Irrthümern,vermehret worden. Oft ist sie unter der Mengedcynaht! verschivuuden. Man hat sie in ihrer voll-
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