Teil eines Werkes 
Theil 2 (1752) Jacob Benignus Bossuet, Bischofs von Meaux, Einleitung in die Geschichte der Welt, und der Religion / fortgesetzet von Johann Andreas Cramern, Hochfürstl. Oberhofpredigern in Quedlinburg
Entstehung
Seite
259
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Zweyter Abschnitt. 259

rung; man glaubte sie vollkommen genug widerlegtzu haben, wenn man zu ihnen sagte: Ihr habet dieWahrheit nicht; denn ihr redet nicht, wie wir.Allein wie viel gehörte nicht dazu, ehe diesem Be-weise einige Stärke gegeben werden konnte? Genug,diese schwache Art, die Feinde oder Verräther derWahrheit zu widerlegen, veranlaßte in der Folgedie irrige Meynung, daß der wahre Sinn der heili-gen Schrift, nicht etwa durch die Kunst, einen Ver-fasser nach den Vorschriften einer gesunden Vernunftauszulegen, sondern durch die Tradition der Kirchebestimmt werden müßte. Man hat es immer soverstanden, und eben darum muß es also, und nichtanders verstanden werden.

Dieser Irrthum von der Unzuverläßigkeit, Dun»kelheit und Ungewißheit der Aussprüche Gottes in sei-ner Offenbarung, konnte sich desto unvermerkter un-ter die Rechtgläubigen einschleichen, weil sie den gleichim Anfange des Christenthums Unter einigen jüdi-schen Sectcn, und hernach unrer allen Irrgläubigengewöhnlichen Misbrauch, überall einen doppeltenVerstand in der Schrift zu finden, annahmen, undfalschen allegorischen Erklärungen nicht etwa den kla-ren buchstablichen Verstand der irrig erklärten Stel-len, sondern andere oft eben so erzwungene Allego-rien entgegensetzten. Fast alle christliche Lehrernahmen an, daß die Worte der Schrift nicht bloßin dem buchstäblichen Verstände genommen werdenmüßten, der einem jeden in die Augen leuchtete, son-dern daß sie auch noch einen geheimen geistlichenVerstand hätten. Origenes , von welchem wir baldreoen werden, war von dieser Meynung ganz bezau-dert, und war mit seinem großen Ansehen Ursache,

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