»72 Geschichte der christlichen Religion.
von Gott und demjenigen, was über unsere Sinneerhaben ist, und in der Moral niemand naher ge-kommen wäre, als Plato; daß Aristoteles wenigerMit demselben stritte, als die Christen vorgäben; daßvielmehr die Lehren dieser beyden großen Philosophen,wenn sie recht erklaret würden, vollkommen mit ein-ander übereinstimmeten, ob sie gleich beyde nicht alleWahrheiten erkannt hatten; daß dasjenige, was ih-" nen noch mangelte, aus den morgenlandischen Wei-
sen ergänzt werden könnte; daß der heidnische Gö-tzendienst im Grunde nicht so ungereimt wäre, als erdem ersten Anscheine nach zu seyn schien, und daßdie Christen ihren Meister, Jesum, der ein großerWeltweise, etwa wie Pythagoras oder Plato gewe-sen seyn sollte, nicht so verstünden, wie er unstreitig' ' hätte verstanden seyn wollen, da sie sich wider alleGötter der Heiden auflehneten, ohne einen einzigenzu schonen. Niemand war unter den heidnischenWcltweisen so schwer zu vereinigen, als Plato , wel-cher neben seinem Gott eine ewige ungebildete Ma-terie annahm, und Aristoteles , welcher die Ewigkeitder Welt behauptete. Wie viele metaphysischeKünste brauchte Ammonius nicht, dem Plato seineewige Materie, und dem Aristoteles seine ewige Weltzu nehmen ? Dieses Unternehmen konnte durch falscheund gewaltthätige Erklärungen nicht allein ausgefüh-ret werden. Hier mußte er die morgenländische Weis-heit zu Hülfe rufen, das System, nach welchem al^les aus einem Gott auSfloß, annehmen, und mit derLehre des Plato, der eine gewisse Art einer Dreyeinig-keit in seiner Gottheit lehrete, vereinigen; damit die auSso vieler Secten Meynungen zusamengeschmolzeneneueLehre der christlichen Religion desto ahnlicher würde.