282 achten konnte , bewogen , HypnotismuS in seiner Londoner Praxis anzuwenden , und versuchte nun auch die Menge von Gewohnheitstrinkern unter seinen Patienten auf hyp¬ notischen ! und suggestivem Wege zu heilen . Jedoch ent¬ sprachen seine Erfolge nicht seiner Erwartung . Dieselben waren nur dann von Dauer , wenn der Patient wenigstens mit seinem guten Willen die Behandlung unterstützte . Trotzdem hofft er , daß die Suggestion , in Verbindung mit sonstigen Heilsmitteln , in Zukunft als ein wichtiger Heilungsfaktor für Gewohnheitstrinker betrachtet werden würde . ( 2 ) Wir hätten noch verschiedene hochinteressante Vortrage eingehender zu besprechen , in welchen hervorragende Ge¬ lehrte einzelne Punkte ihrer Forschungen dem Congresse vorlegten . Jedoch gebietet uns die Fülle des Materiales , uns möglichst kurz zu fassen . Dr . Falk - Schupp ( Bad Soden ) sucht das Problem der suggestiven Anästhesie , vielfach im Gegensatz zu der Nancyer Schule , zu beleuchten . Zur Erzeugung der suggestiven Anästhesie empfiehlt er die „ egoistische Methode " , einleitbar durch Narcotica und durch Rnpidothmung . Die¬ selbe entspricht seiner Ansicht nach den Anforderungen all¬ gemeiner Verwendbarkeit , erfordert kurze Zeit und ist ge¬ fahrlos . Dr . Erocq fils , der Chefredacteur deS „ Journal äs uLuroIoZia stästi ^ pnoloZis " erklärte in längerem Vortrage den Zustand der Sensibilität und der intellektuellen Funk¬ ionen bei den Hypnotisirten . Wir entnehmen demselben vorerst die Unterscheidung zwischen somnambulen und süvmarribuloidcn Zuständen mit Bezug auf die Aufhebung der Schmerzgefühle . Der Nachweis , daß in den ersten Stadien der Hypnose das Schmerzgefühl theilweise noch ^ xtstiren kann , dürfte vielleicht auch auf die viclnmstrittene Selbsthypnotisirung des indischen Jogi während des Kon¬ gresses Licht warfen . Bei ihm war , wie wir uns selbst überzeugten , manchmal die Anästhesie nicht vollkommen und man sprach deßhalb schon von Simulation , während die Annahme , daß bei ihm nur ein sownambuloider Zu¬ stand ( unvollständige Hypnose ) eintrete , eine Erklärung , eicht ermöglich ! hat . — Durch Suggestion kann , wie der Redner des Weiteren ausführte , die Sensibilität ver¬ schiedenartig modificirt , vermehrt oder vermindert werden . Was die intellektuellen Funktionen anbelangt , so be¬ antwortet er die Frage , ob daS Gedächtniß an die intra - hypnotischen Vorgänge nach der Hypnose noch existire , mit Bezug auf obige Unterscheidung zwischen somnam¬ bul . nden und somnambulen Zuständen ; nach ersteren tritt die Erinnerung ein , nach letzteren meist nicht . Durch Suggestion während der Hypnose kann das Gedächtniß bedeutend gesteigert , dagegen wohl kaum heraögeschwächt werden . Trotz Verbotes des Hypnotiseurs kann in ge¬ wissen Fällen eine Versuchsperson sich im Wach - oder Schlaszustandc an die Vorgänge während der Hypnose erinnern , was in medizinisch - juristischer Hinsicht von großer Wichtigkeit ist . — In der Hypnose ruhen , falls keine Suggestion angewandt wird , angeblich , nach der Meinung des Redners , die intellektuellen Fähigkeiten . Daß diese Ansicht falsch ist , geht aus den Beobachtungen vieler der neueren Forscher hervor ; im Gegentheile zeigt sich vielfach Erhöhung des Intellekts , worauf ja auch das intrahypnotische Phänomen der siainvo ^ anss hindeutet . Merkwürdig sind die Behauptungen , die Dr . Paul Sollier ( Paris ) in seinem Vortrage über Sensibilität und Persönlichkeit ( Lsrwibiiits ab ksrsvnalits ) aufstellte . Er geht von der Annahme aus , daß Störungen der Sensi¬ bilität auch Störungen der „ Persönlichkeit " hervorrufen , während auf diese wieder sämmtliche Formen der Geistes¬ krankheiten zurückzuführen sind . Man könne experimentell die „ Persönlichkeit " verändern , indem man den Zustand der Sensibilität einer Versuchsperson verändert . Er habe auf dem Medicinercongreß in Rom i . I . 1894 gezeigt , daß die Hysteriker mit totaler Anästhesie nur „ Vigilam - bule " wären , die man erwecken müßte , um sie zu heilen . Dieses Erwecken führe eine Rückkehr der Sensibilität herbei und zugleich komme die Versuchsperson in den Persönlichkeitszustand zurück , in dem sie war , als die Anästhesie eintrat . Sie glaubt , daß sie so alt sei , als sie damals war . In dem Maße , in dem die Sensibilität wiederkehrt , modificirt sich die „ Persönlichkeit " der Ver¬ suchsperson und sie macht wieder alle Phasen ihrer Existenz durch , in denen man sie zurückhalten kaun , wenn man die Rückkehr der Sensibilität suspendirt . So habe er eine Versuchsperson willkürlich in die Zustände ihrer „ früheren Persönlichkeit " zurückführen können , indem er die allgemeine Sensibilität modifictrte . Er gedenkt über diese seine Beobachtungen demnächst ein größeres Werk zu publiciren . Man wird durch diese Behauptungen an die bekannten vielumstrittenen Experimente Krafft - Ebings erinnert . In der letzten allgemeinen Sitzung des CongresseS hielt Dr . Pierre Janet ( Paris ) einen Vortrag über den somnambulen Einfluß und die Nothwendigkeit der Leitung ( I/müusnss somnambulikzus st Is bssoin äs äirseticm ) . Wir wollen das Hauptsächlichste der Ausführungen dieses Forschers hier an dieser Stelle kurz wiedergeben . Er weist darauf hin , wie schwierig es erscheinen müsse , die psychologischen höheren Phänomene und besonders die socialen Gefühle experimentell zu studiren . Es sei jedoch nachweisbar , daß man in gewissen Fällen künstlich solche Gefühle hervorrufen und die Bedingungen ihrer Ent¬ wicklung erforschen könne . Man könne dies z . B . thun , indem man den Einfluß des Hypnotiseurs auf die Ver¬ suchspersonen selbst während der Zeit zwischen den som¬ nambulen Zuständen in Betracht zieht . Derselbe sei früher unter dem Namen „ Magnetischer Rapport " be¬ kannt gewesen . Dieser verlängere sich speciell bei den Hysterischen für einige Zeit nach der Hypnose . Der Zeit¬ raum , der zwei aufeinander folgende Hypnosen trenne , könne , wie er erklärt , in zwei Theile zerlegt werden . Im ersten derselben ist die Versuchsperson wesentlich bester und fühlt sich intelligenter , glücklicher , thatkräftiger ; sie denkt wenig an den Hypnotiseur , den sie nicht nöthig hat . Im zweiten , der Periode des somnambulen Leidens , wird sie wieder von verschiedenartigen nervösen Anfällen gequält , verliert ihre intellektuellen und moralischen Kräfte , verfällt in einen Zustand psychischer Depression und em¬ pfindet ein immer mehr wachsendes Verlangen nach ihrem Hypnotiseur , das sich oft leidenschaftlich äußert . — Ist die Dauer des Einflusses sehr kurz , so müssen die Kranken sehr oft eingeschläfert werden und ihre Behandlung wird sehr schwierig . Kann man aber die Perioden des Ein¬ flusses verlängern , besonders die erste derselben , so kann man durch eine Art Erziehung zur vollständigen Heilung der Kranken gelangen . Merkwürdig ist die Art , in welcher sich die Gefühle der Kranken für den Hypnotiseur äußerten , nämlich theils als leidenschaftliche Liebe , theils als aber¬ gläubische Furcht , Verehrung oder Eifersucht . Einige derselben nehmen leicht den domintrenden Einfluß an , andere sind im beständigen Kampfe gegen denselben . Der suggestiv eingegebene Gedanke des Hypnotiseurs |