Druckschrift 
Über die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau : Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 20. Mai 1824 / Wilhelm von Humboldt
Entstehung
Seite
186
Einzelbild herunterladen
 

186

Humboldt

schreiten willkührlich scheinenden Zeichen zum Theil ursprünglich Bil-der waren, ist aber, und gerade in Rücksicht auf die Sprache, von er-heblicher Wichtigkeit, wie man an der Mexicanischen und Peruanischenzeigen kann.

Die Mexicanischen Hieroglyphen halten einen nicht geringenGrad der Vollkommenheit erreicht; sie bewahrten offenbar den Gedan-ken durch sich selbst, da sie noch heute verständlich sind, sie unter-schieden sich auch bisweilen deutlich von blofsen Bildern. Denn wennauch z. B. der Begriff der Eroberung in ihnen meistenlbeils durch denKampf zweier Krieger vorgestellt wird, so findet man doch auch densilzenden König mit seinem Namenszeichen, dann Waffen, als Tropheengebildet, und das Sinnbild der eroberten Stadt, welches zusammenge-nommen die deutliche Phrase: der König eroberte die Stadt, undeine viel bestimmter ausgedruckte ist, als die berühmte Saitische In-schrift, die als die einzige angeführt zu werden pflegt, wo sich in demZeugnifs des Allerthums zugleich Bedeutung und Zeichen erhalten ha-ben. Man sieht auch aus dem eben Gesagten, dafs es nicht an Mittelnfehlle, auch Namen zu schreiben, und man daher auf dem Wege war,Lautzeichen in der Art der Chinesischen zu besitzen. Dennoch ist sehrzu bezweifeln, ob die Mexicanische Hieroglyphik jemals wahre Schriftgeworden ist.

Denn wahre Schrift kann man nur diejenige nennen, welche be-stimmte Wolter in bestimmter Folge andeutet, was, auch ohne Buch-staben , durch Begriffszeichen, und selbst durch Bilder möglich ist.Nennt man dagegen Schrift im weitläufigsten Verslande jede Gedanken-Mittheilung, die durch Laute geschieht, d. Ii. bei welcher der Schrei-bende sich Worte denkt, und welche der Lesende in Worte, wenngleich nicht in dieselben, überseizt (eine Bestimmung, ohne die es garkeine Granze zwischen Bild und Schrift geben würde), so liegt zwischendiesen beiden Endpunkten ein weiter Raum für mannigfaltige Gradeder Schriftvolllvommenheit. Diese hangt nemlich davon ab, inwieweitder Gebrauch die Beschaffenheit der Zeichen mehr oder weniger anbestimmie Wörter, oder auch nur Gedanken gebunden hat, und mithindie Entzifferung sich mehr oder wen iiier dem wirklichen Ablesen-

vJ>

hert, und in diesem Raum, ohne den Begriff wahrer Schrift zu er-