Das Thema „Neubau der Weltwirtschaft" enthält die Gefahr
vager Wünsche und Prophezeiungen. Demgegenüber ge-statten Sie mir als Nationalökonomen der Universität zunächsteinen festen Ausgangspunkt in der Vergangenheit zu nehmenund von dort aus über den verworrenen Knoten der Gegenwarthinweg in der Weise die Linie in die Zukunft zu ziehen, daßich in festen Sollsätzen die wirtschaftlichen Interessen undForderungen Deutschlands umreiße und auf der anderen Seitevorsichtig die Mächte und Strömungen im Lager unsererGegner und im Lager unserer Bundesgenossen abwäge. Wennwir uns auf dieses Gebiet „Neubau der Weltwirtschaft" begeben,wollen wir nicht vergessen: Politik ist die Kunst des Möglichen,eine Kunst, in der es nicht nur auf das Wünschen ankommt— das ist ungemein leicht —. sondern in der es vor allemgilt zu können.
Zunächst also gehen wir in die Lehre bei der Historie.Sie sagt uns: Dieser Krieg ist nichts schlechthin Neues, höchstensneu in seinen Dimensionen. Seit Alters ist das Prinzip derGewalt ein Mittel gewesen, das der privatwirtschaftlichenKeichtumsansammlung und damit dem wirtschaftlichen undkulturellen Fortschritt der Menschheit diente. Insofern istGewalt zweifellos ein gewichtiger Kulturhebel. Ich erinneredaran, wie ini Anfang aller Wirtschaftsgeschichte die Gewalt steht,indem sie durch die Einrichtung der Sklaverei überhaupteinmal die Mehrproduktion über den baren Lebensunterhalthinaus erst ermöglichte. Aber auch in der ganzen späterenWirtschaftsgeschichte, etwa der des Mittelalters — welcheRollespielt nicht die Gewalt? Nicht nur, daß das feudale Verhältnisauf ihr begründet war, sondern ich erinnere auch an diemittelalterliche Stadt. Sie beruhte auf der Gewaltherrschaftüber das sie umgehende platte Land, das gewerblich nieder-gehalten wurde; es sollte in der Stadt, auf dem städtischenMarkt, billig verkaufen und teuer einkaufen. Aber vor allem:Hauptträger des Gewaltprinzips ist jener Staat, den wir alsden modernen Staat und damit als den Geburtshelfer dermodernen V olkswirtschaft zu bezeichnen pflegen. derMerkantil-
Sohnlze-Gaevernitz, Neubau der Weltwirtschaft. 1